Affäre Wulff: Zank bis zum Zapfenstreich

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Der zurückgetretene deutsche Bundespräsident Christian Wulff will weder auf Ehrensold (200.000 Euro) noch auf Büro und Stab verzichten. Die SPD möchte ihn jetzt ohne militärische Ehren in Pension schicken.

Berlin. Donnerstag werden die Soldaten aufmarschieren, zu nächtlicher Stunde im Schlosspark von Bellevue, samt Pauken, Fackeln und Trompeten. Mit einem Großen Zapfenstreich, der höchsten militärischen Ehrenbezeugung, wird Christian Wulff verabschiedet. Dann sollte eigentlich Ruhe einkehren in der Affäre um einen Bundespräsidenten, der zurücktreten musste, weil Staatsanwälte gegen ihn wegen des Verdachts auf Vorteilsannahme ermitteln. Doch auch der pompöse Abgang sorgt für Irritation. SPD-Politiker halten die Zeremonie in diesem Fall für unangemessen, das Ex-Staatsoberhaupt solle sich in Demut üben.

Damit sprechen sie wohl den meisten Deutschen aus der Seele. Schon die Zusicherung des Ehrensoldes, einer lebenslangen Sofortpension von knapp 200.000 Euro jährlich, erregt die Gemüter. 84 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Wulff darauf verzichtet. Laut „Spiegel“ fordert er aber auch die Zusatzleistungen, die den vier anderen noch lebenden Ex-Präsidenten finanziert werden. Offenbar ist es das, was er unter einer Frage der Ehre versteht.

Büro, Sekretariat, Dienstwagen

Um die 280.000 Euro kosten ein Büro samt Sekretariat und Referenten, ein Dienstwagen mit Chauffeur und der Personenschutz. Letzteres lässt sich angesichts der kochenden Volksseele wohl noch am ehesten argumentieren. Ein eigenes Büro aber dient so honorigen Herren wie Richard von Weizsäcker oder Roman Herzog für „nachamtliche Repräsentationspflichten“. Sie kann Wulff „kaum glaubwürdig ausüben“, wie nicht nur der populäre Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim vermutet. Pikanterweise hat Wulff selbst kurz vor seiner Wahl laut und öffentlich darüber nachgedacht, die Ruhebezüge für Präsidenten zu kürzen. Diese Überlegungen werden jetzt von Politikern aller Parteien weiterverfolgt. Sie wollen die Alimentierung künftig nach Alter und Dienstdauer staffeln. So käme Wulff den Steuerzahlern günstiger: Er ist mit 52 der jüngste Präsidial-Pensionist in der Geschichte, und seine Amtszeit war mit 597 Tagen die bei Weitem kürzeste. Von seinem freiwillig zurückgetretenen Vorgänger Horst Köhler weiß „Bild“ zu berichten, dass er auf seinen Sold verzichtet – weil er als Ex-IWF-Direktor und früherer Chef des Sparkassenverbandes keine Ansprüche anhäufen wolle.

Ehrensold auch ohne weiße Weste

Über die Frage des Ehrensoldes hat das Bundespräsidialamt entschieden. Das ist übliche Praxis, hat hier aber einen Beigeschmack: Die eben noch zur Loyalität verpflichteten Mitarbeiter legten das Recht im Sinne ihres Eben-noch-Chefs aus. Der oberste Beamte der Behörde, Lothar Hagebölling, ist sogar ein enger Weggefährte Wulffs aus Niedersachsen.

Vom Präsidialamt ist Wulff aus politischen und nicht aus persönlichen Gründen zurückgetreten. Unter dieser Prämisse ist an seinen Ansprüchen kaum zu rütteln. Ruhebezüge sind selbst bei nachgewiesenen Gesetzesverstößen nicht automatisch zu kürzen oder zu streichen. Darüber entscheiden müssten vielmehr die Verfassungsrichter in Karlsruhe. In der Causa Wulff betreffen die Vorwürfe aber die Zeit vor seiner Wahl ins höchste Amt im Staat. Umso mehr stehen ihm daher rein rechtlich die Bezüge zu – auch dann, wenn er rechtskräftig verurteilt wird. Denn an die Möglichkeit, dass ein Politiker, der eine schmutziger Weste haben könnte, deutscher Bundespräsident wird, haben die Gesetzgeber von 1953 nicht gedacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2012)

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