Justizministerin Beatrix Karl zog die umstrittensten Teile ihres Entwurfs zurück. Das Lobbyistengesetz wird bis Mai zurückgestellt – der SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim will eine Verschärfung.
Wien/Pö/OLI/APA. Nach Anwälten, Journalisten und Ärzten hatten sich gestern auch noch die Notare mit scharfer Kritik zu Wort gemeldet: Beatrix Karls Vorhaben würde einen „massiven Eingriff in die höchstpersönlichen Rechte aller Österreicher“ bedeuten und bewege sich „an der Grenze der Grundrechtsdefinition der Europäischen Menschenrechtskonvention“, so der Präsident der Notariatskammer, Ludwig Bittner.
Wenige Stunde später zog die Justizministerin dann die umstrittensten Teile ihres Entwurfs zurück – nach einem Gespräch am Montagnachmittag mit Experten und den Justizsprechern der Parlamentsparteien mit Ausnahme des BZÖ. Nun sollen weiterhin die Gerichte die Sichtung der Dokumente vornehmen. Betroffene können als Alternative aber einen Antrag stellen, dass sie mit dem Staatsanwalt die Unterlagen sichten. Außerdem bleibt deren Widerspruchsmöglichkeit bestehen. „Für Betroffene hätte die Alternative den Vorteil, dass sie ihre Unterlagen rascher zurückbekommen“, sagte Karl.
„Berufsgeheimnisträger können sich künftig aussuchen, ob sie richterlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen oder die möglicherweise raschere Sichtung durch den Staatsanwalt“, ergänzte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim.
Heftige Proteste gegen Karl zuvor
Die von Karl zuvor nachträglich in den Entwurf eingearbeitete Änderung des Paragrafen 112 hatte zuletzt großes Missfallen hervorgerufen. Von den Kritikern befürchtet worden war eine Aushöhlung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, des Redaktions- und des Arztgeheimnisses. So sollten Beschuldigte nicht mehr die Möglichkeit haben, Einspruch gegen die Verwendung bisher geschützter Unterlagen zu erheben. Außerdem war im Entwurf eine „Erstsichtung“ durch den Staatsanwalt und den Betroffenen bzw. dessen Verteidiger geplant – und zwar ohne Richter. Nur wenn ein Betroffener die Verwendung eines Dokuments wegen geheimer Inhalte ablehnt, sollte dies der Richter entscheiden dürfen. Derzeit erfolgt die erste Sichtung durch das Gericht unter Beiziehung von Staatsanwalt und Betroffenem. Künftig – nach dem Kompromiss von Montag – soll der Betroffene verpflichtend zur Sichtung beigezogen werden.
Es war dies das zweite Vorhaben Karls – nach dem Plan, eine Diversion auch bei Amtsmissbrauch zu ermöglichen –, das für Aufregung gesorgt hatte. Ihr Parteichef war am Montagvormittag schon vorab mit ihr zufrieden – jedenfalls nach außen hin. „Ich habe hier gar keinen Tadel“, sagte Michael Spindelegger und stärkte seiner Ministerin demonstrativ den Rücken: „Sie arbeitet gut.“ Und: „Wir sehen, dass sie mit ihren Reformen etwas vorantreibt.“
Neben der Schweigerechts-Causa hätte heute im Justizausschuss auch das Lobbyistengesetz behandelt werden sollen. Doch dieser Punkt wird vertagt werden. Hier hat sich ebenfalls SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim durchgesetzt, der es für vernünftig hält, dieses Gesetz erst im Mai zu beschließen, im Zuge des Transparenzpakets gemeinsam mit Parteienfinanzierung und Korruptionsstrafrecht.
„Lobbyinggesetz nicht ganz ausgegoren“
Jarolim begründete seinen Wunsch nach einer Verschiebung damit, dass der Entwurf zum Lobbyinggesetz „noch nicht ganz ausgegoren“ und einiges noch im Lichte des U-Ausschusses zu klären sei. So halte er angesichts der Erfahrungen im U-Ausschuss eine Verschärfung für geboten: Ins Register sollten alle Unternehmenslobbyisten aufgenommen werden, nicht nur jene, die „überwiegend“ mit Lobbyingtätigkeiten für das Unternehmen beschäftigt sind.
(APA)