Nüchterner Blick auf Österreichs Muslime: Ein Standardwerk ohne Schlagseite

Buch. „Muslime in Österreich“ ist eine wohltuende Neuerscheinung zur Islam-Debatte.

Wien. Der Islam ist ein dankbares Feld, mit dessen Beackerung sich zahllose Bücher füllen lassen. Die Veröffentlichungen dazu bewegen sich dabei meist an den beiden Rändern der Debatte – die einen sehen in der Religion und ihren Vertretern Terroristen, Extremisten oder zumindest Fundamentalisten. Die anderen rücken zur Verteidigung der Muslime aus und sehen dabei auch gern über manche realen Probleme hinweg.

Was der Debatte bisher fehlte, war ein nüchterner Zugang, der in einer emotionalisierten Debatte mit Fakten, realistischen Einschätzungen und ohne Alarmismus eine Grundlage für sinnvolle Diskussionen legt. Mit „Muslime in Österreich“ liegt ein solches Kompendium nun endlich vor. Die evangelische Theologin Susanne Heine, der Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker und der katholische Religionsrechtler Richard Potz haben in mehrjähriger Arbeit die Situation in Österreich analysiert, relevante Studienergebnisse zusammengetragen und Begriffe definiert, die in der Diskussion oft unreflektiert verwendet werden.

Die beiden Schlagworte „Parallelgesellschaft“ und „Islamophobie“ werden von den Autoren abgeklopft, gleichzeitig werden die wichtigsten Gruppierungen und Strömungen des muslimischen Lebens in Österreich vorgestellt – von der Islamischen Glaubensgemeinschaft bis zu extremistischen Organisationen und ihren Ablegern. Dass dabei nicht alle Vereine in epischer Breite abgehandelt werden können, liegt auf der Hand – ist aber der Lesbarkeit des Werkes geschuldet, das auf knapp 300 Seiten inhaltlich absolut dicht gepackt ist.

Auch die Konflikte um den Moscheenbau, um islamische Friedhöfe und auch grundsätzliche Gedanken über Seelsorge, Religionsunterricht und die Situation von Muslimen am Arbeitsplatz werden behandelt, dazu kommen lexikalische Elemente, die neben einer Kurzgeschichte der Religion auch Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zum Christentum ansprechen.

Die drei Wissenschaftler sind mit dem Willen zum genaueren Hinsehen an dieses Projekt herangegangen und haben es geschafft, einen Weg abseits gesellschaftspolitischer Polemik zu beschreiten. „Muslime in Österreich“ ist ein wohltuender Versuch, das Thema Islam in Österreich jenseits von Emotionalisierung zu beleuchten. Und ein Standardwerk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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