Mali: Der Putsch der Frustrierten

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Junge Soldaten setzten den Präsidenten von Mali, Amadou Touré, ab. Sie wollen nicht länger im Kampf gegen die Tuareg-Rebellion "verheizt" werden. Erst am Morgen kam die Hauptstadt Bamako wieder zur Ruhe.

Las palmas/Bamako. 20 Jahre lang nur friedliche Machtwechsel – Mali war eine kleine demokratische Erfolgsgeschichte in Westafrika. Bis gestern. Während der ganzen Nacht auf Donnerstag waren schweres Geschützfeuer und Schüsse in Bamako zu hören. Erst am Morgen kam die Hauptstadt wieder zur Ruhe, die Spitäler vermeldeten keine neuen Verletzten.

Gegen vier Uhr früh war im Staatsfernsehen eine Gruppe von 20 Soldaten aufgetreten und hatte bekannt gegeben, dass Mali nun unter der Kontrolle eines „Nationalen Komitees für die Wiedereinführung von Demokratie und Wiederherstellung des Staates“ stehe: „Wir repräsentieren die gesamte Armee und alle Sicherheitskräfte. Wir haben beschlossen, die Verantwortung zu übernehmen und das inkompetente und desavouierte Regime von Präsident Amadou Toumani Touré zu stürzen.“

Kurz zuvor war der Präsidentenpalast gestürmt worden. In der Stadt wurden Checkpoints eingerichtet. Über den Aufenthaltsort des gestürzten Staatsoberhaupts herrschte zunächst Unklarheit: Erst hieß es, er habe in der US-Botschaft Zuflucht gesucht, später erklärten Anhänger, er befinde sich mit ihm ergebenen Soldaten auf einem Militärstützpunkt. Touré leugnete, dass es einen Putsch gegeben habe. Via Twitter sprach der abgesetzte Präsident nur von einer „Meuterei“, die im Gange sei.

Hintergrund des Coups ist nicht mangelnde Demokratie oder Machtmissbrauch Tourés, sondern das schlechte Management der Regierung bei der Bekämpfung der Rebellion der Tuareg. Die Nomaden kämpfen seit den 1960ern für einen unabhängigen Staat oder zumindest weitgehende Autonomie im Norden Malis.

Schwere Waffen aus Libyen

1990, 1991 und zuletzt 2006 war es zu Aufständen gegen die Regierung gekommen. Im Jänner starteten die Tuareg eine neue Offensive, eroberten einige Grenzstädte zu Algerien und eine Kaserne. Aufgrund der Kämpfe mussten laut UNO 180.000 Menschen fliehen.

Die Armee ist völlig überfordert. Früher kämpften die Tuareg mit alten Kalaschnikows und ausgedienten Granatwerfern. Heute haben sie laut Regierung Panzer- und Luftabwehrwaffen sowie schwere Maschinengewehre. Diese seien auf Pick-ups montiert, wie man es aus dem Bürgerkrieg in Libyen kenne. Von dort stammen die neuen Waffen auch, die das Militär so in die Bredouille bringen.

Viele Jahre lang dienten tausende Tuareg in der libyschen Armee. Nach dem Sturz des Diktators kehrten sie zurück – nicht ohne sich in den unkontrollierten Waffenlagern ausgiebig zu bedienen.

Die Soldaten haben das Gefühl, „verheizt“ zu werden. Trotz schlechter Ausrüstung werden sie in den Kampf gegen einen weit überlegenen Gegner geschickt. Als Verteidigungsminister General Sadio Gassama am Mittwoch eine Kaserne besuchte, dachte er, Gemüter zu beruhigen und keinen Putsch auszulösen. Aber angesichts hoher Todesraten, mangelnden Proviants und schlechter Bewaffnung haben die jungen Soldaten genug. Sie trieben den Minister mit Steinen in die Flucht und stürmten die Waffenkammern.

Auf einen Blick

Amadou Toumani Touré (63), von Freund wie Feind meist nur „ATT“ genannt, war 1991 selbst per Putsch an die Macht gekommen, übergab sie aber bald an eine Zivilregierung. 2002 und 2007 wurde er zum Präsidenten gewählt. [Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2012)

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