In Chinas KP tobt ein Glaubenskrieg

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Machtkampf in Chinas Führungsspitze hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Bo Xilai, der Bannerträger der Hardliner, wurde aus dem Politbüro geworfen, seine Frau verhaftet. Der "liberale" Flügel feiert Etappensieg.

Peking. Mit Bo Xilais Sturz hat der Machtkampf in Chinas Führungsspitze einen neuen Höhepunkt erreicht. Zwar hat Premierminister Wen Jiabao bereits Mitte März Bo seines Postens als Parteichef von Chinas größter Metropole Chongqing enthoben. Dass der 62-Jährige nun auch von all seinen anderen Parteiämtern entbunden wird und diese Nachricht ausgerechnet über den in der Parteiführung so verhassten Kurznachrichtendienst Weibo nach draußen dringt, dürfte für Bo besonders demütigend sein.

Damit nicht genug: Sicherheitskräfte nahmen am Dienstag auch seine Ehefrau Gu Kailai fest. Ihr und einem persönlichen Mitarbeiter des Ehepaares wird vorgeworfen, an dem Tod eines britischen Geschäftsmannes beteiligt zu sein.

Der 41-jährige Neil Heywood ist im November in einem Hotel in Chongqing tot aufgefunden worden. Damals hat es geheißen, der Geschäftsmann, der wiederholt als persönlicher Berater und Intimus der Familie Bo in Erscheinung getreten ist, sei an übermäßigem Alkoholkonsum gestorben. Schon damals fiel die Eile auf, mit der die Leiche von Heywood kremiert wurde.

Nun schreibt auch die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua offiziell von Mord. Staats- und Parteichef Hu Jintao höchstpersönlich habe die Ermittlungen eingeleitet, heißt es. Gegen Bo werde wegen „ernster Disziplinarverstöße“ ermittelt.

Flucht nach Chengdu

Die Affäre um Bo kam ins Rollen, als sein langjähriger Gefährte Wang Lijun, der Polizeichef von Chongqing, im Februar plötzlich im US-Konsulat in der südwestchinesischen Stadt Chengdu um Zuflucht bat. Das löste zunächst eine diplomatische, dann vor allem eine politische Krise aus. Nach einem Tag stellte sich der Spitzenbeamte der Staatssicherheit und wurde eiligst zum Verhör nach Peking verfrachtet. Chinesischen Medien zufolge soll der Ex-Polizeichef, der im Auftrag von Bo in der 30-Millionen-Metropole eine Antikorruptionskampagne orchestriert hat, bei seinen Aussagen auch seinen ehemaligen Chef schwer belastet haben.

Aus Sicht der Führung in Peking ist die Affäre einer der schlimmsten Skandale seit zwei Jahrzehnten. Doch das ist nicht alles. Wenige Monate vor dem lange vorgesehenen Führungswechsel in der KP weist Bos Sturz auf einen grundsätzlichen Richtungsstreit innerhalb der chinesischen Staatsführung hin.

BoXilai, Sohn des inzwischen verstorbenen ranghohen Revolutionärs und Mao-Gefährten Bo Yibo, hat bis zuletzt hohe Parteiämter bekleidet. Er war nicht nur Parteichef der wichtigen Stadt Chongqing, sondern auch Bürgermeister der Hafenstadt Dalian, später chinesischer Handelsminister.

Beim Volk beliebt

Gerade im Vergleich zu den zumeist farblosen Parteikadern in Peking galt Bo als ausgesprochen modern und war entsprechend populär – auch in weiten Teilen der Bevölkerung. Bis Anfang des Jahres galt er als gesetzt für den neunköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem eigentlichen Machtzentrum der Kommunistischen Partei. Doch in den vergangenen Jahren wetterte er zunehmend gegen einen allzu liberalisierten Markt und trat für einen starken Staat ein – auch in der Wirtschaftspolitik. Marktliberale beschimpften Bo daher als linkskonservativ.

Vor allem mit seinen jüngsten Kampagnen, mit „roten“ Liedern aus den Altbeständen der Kommunistischen Partei und seiner Rhetorik, die sich verstärkt an den Ideen Mao Zedongs orientierte, verscherzte er es sich auch mit der noch amtierenden Staatsspitze. Premierminister Wen persönlich rügte diese Politik und warnte vor einer Verklärung der Ära des 1976 verstorbenen Staatsgründers. Nun muss Bo dafür büßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2012)

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