Winkelschreiberei, Trinkgelage ab den Vormittagsstunden: Am Bezirksgericht Dornbirn dürfte jahrelang ein etwas eigenartiges Arbeitsklima geherrscht haben.
Salzburg. War Jürgen H. ein Einzeltäter oder gab es am Bezirksgericht Dornbirn ein kriminelles Netzwerk, das sich durch geschickte Fälschungen das Erbe alleinstehender Senioren unter den Nagel riss? Diese Frage steht im Zentrum des seit Montag laufenden Prozesses in der Vorarlberger Testamentsfälscher-Affäre, die in Salzburg verhandelt wird.
Angeklagt sind der ehemalige Geschäftsstellenleiter des Gerichts in Dornbirn, Jürgen H., drei seiner ehemaligen Kollegen sowie mehrere Verwandte und ein Freund, die als Begünstigte der Verlassenschaften fungierten. Auch eine Richterin, die ein gefälschtes Testament bestellt haben soll, muss sich verantworten. Jürgen H. bekennt sich zu den Taten. Es geht um Fälschungen in 18 Verlassenschaftsverfahren von 2001 bis 2008 mit zehn Millionen Euro Schaden.
Verschränkte Arme, zusammengesunken, den Kopf gesenkt: So saß H. am Dienstag am Vernehmungstisch und versuchte die Einzelheiten der langen Geschichte zusammenzufügen. Er schilderte die Stationen seiner Karriere bis zum Geschäftsstellenleiter, eine Art Geschäftsführer des Gerichts. Und dort dürfte ein etwas eigenartiger Arbeitsstil üblich gewesen sein. H. berichtete von Treffen der Mitarbeiter im Sozialraum, wo schon in den Vormittagsstunden reichlich Alkohol geflossen ist. Dabei wurde auch über Erbschaftsfälle und Möglichkeiten, Verlassenschaften umzuleiten, gesprochen.
Illegale Vorgänge waren üblich
Winkelschreiberei – das illegale Anfertigen von Verträgen – dürfte üblich gewesen sein. Während H. sich bemühte, seine Rolle als Teil eines Netzwerks darzustellen, wiesen die anderen Angeklagten jede Schuld von sich. „Warum hätten wir uns nur aus Freundschaft und ohne Nutzen in so eine Sache verstricken sollen“, fragte Ex-Rechtspfleger Kurt T.. Es habe keine Freundschaft mit H. gegeben, dieser tische Lügengeschichten auf, um seine Rolle bei den Testamentsfälschungen kleinzureden. H. habe Wissen und alle Zugänge zu Akten und Räumlichkeiten gehabt, um Fälschungen alleine durchzuziehen. Einen Grund, sich durch die Involvierung von Kollegen Mitwisser zu schaffen, habe es nicht gegeben.
Die Opfer der Testamentsfälscher dürfen hoffen, dass sie in Kürze zumindest einen Teil ihrer Erbschaften sehen. Richter Posch kündigte an, dass er an der Entscheidung zur Freigabe von beschlagnahmten Geldern „in nicht unbeträchtlicher Höhe“ arbeite. Der Prozess wird heute, Mittwoch, mit der Befragung der Beschuldigten fortgesetzt. Ein Urteil gibt es frühestens im Sommer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2012)