Immobilienmarketing: „Die Schnellen fressen die Langsamen“

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Wie ein Objekt seinen Weg zum Kunden findet, hängt auch von der Vermittlung ab. Der Auftritt hat sich verändert – eine Hauptrolle kommt Webauftritten, Renderings und Namen zu.

Die Wohnung mit der Dachterrasse und das Büro in der City sind noch nicht gebaut, aber Visualisierungen können im Idealfall eine Idee davon geben, wie es ist, darin zu wohnen oder zu arbeiten. Dazu kommen meist kurze Texte, die die Immobilie knapp bis schillernd beschreiben. Will man die Exklusivität des Objekts betonen, gibt es Broschüren aus teurem Papier. Oder kurze Filme im Internet über das Objekt, mit denen die Marketingexperten Emotionen schüren wollen. Diese Internetseiten unter die ersten Einträge bei der Google-Suchabfrage zu bringen, ist ebenfalls ein Teil im weiten, durch Trends und Social Media immer schwerer überschaubaren Feld des Immobilienmarketings.

Wie ihre Investoren, Bauträger und Makler verfügen heute einzelne Projekte über ein eigenes Corporate Design. Ein Logo, ein Name, Unternehmensfarben, Typografie – das ist die Basis. Hinzu kommen sehr viele unterschiedliche Maßnahmen, beschreibt Heinz Wolf von der Innsbrucker Agentur „comm.ag“ den Mix, mit der die Immobilienbranche ihre Produkte kommuniziert, sprich: vermarktet. Wobei sich die Wahl der Mittel in den letzten Jahren stark verändert hat, nicht zuletzt durch die Wirtschaftskrise, die viele Unternehmen ihre Etats überdenken ließ. „Das wichtigste Instrument ist mittlerweile das Onlinemarketing.“ Der Kunde sucht, findet und agiert übers Internet. An zweiter Stelle reiht Wolf schon das Rendering, im Idealfall eine täuschend echt wirkende Architekturzeichnung: „Die Visualisierung einer Immobilie nimmt die Zukunft vorweg – in bunten, schönen, emotionalen Bildern.“ Auf Platz drei sieht Wolf den Film im Internet als wichtiges Element der Vermittlung. „Der Aufwand rechnet sich aber nur bei großen Projekten“, und er nennt als Beispiel das „Haus an der Wien“, ein Projekt der Signa Holding.

Messeauftritte, Spatenstiche

Auch Agenturen wie „piapink“ in Wien, die sich seit Jahren auf die Immobilienbranche konzentrieren, verzeichnen einen deutlichen Wandel vom Papier zum Digitalen – und zu örtlicher Präsenz. Seit der Krise, erklärt Birgit Oberwalder, seien Printmaßnahmen wie Direct Mails oder aufwendige Projektfolder zurückgegangen. Dafür hätten sich die Arbeit für Messeauftritte und der Consultinganteil verstärkt. Auch Events wie Spatenstich oder Gleichenfeier fallen in das Revier der Agenturen. „Die hochwertige Imagebroschüre wird es aber immer geben“, räumt Oberwalder ein. Hohen Beratungsbedarf und große -nachfrage sieht auch Thomas Brey von „Lustig+Brey“ über Öffentlichkeitsarbeit und Unterstützung im Verkauf hinaus. Eine Produktgestaltung im Bereich von Immobilieninvestments gehört ebenso wie das Verfassen von Marktberichten ins Portfolio. Insgesamt sei in der Branche „konsequentes Rechnen üblich“. Und das resultiere in einer „sehr realistischen Einschätzung von Marketing“. Onlinemarketing oder Tools wie Augmented Reality gewinnen auch laut Brey an Bedeutung.

Durch virtuelle Räume wandern

Unmittelbarkeit zählt im Immo-Business offensichtlich besonders: „Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen“, so Wolf. Weil Bilder und Dialog ganz direkt arbeiten setzt comm.ag ein Life-Help-Desk-Fenster im Internet ein. Der User schreitet durch die virtuellen Räume und wird dabei von einem Ansprechpartner begleitet – der Verwalter der Immobilie, zu dem er Kontakt aufnimmt.

Der Vorteil von Onlinemarketing besteht für Wolf nicht nur in der Möglichkeit der Interaktion, sondern auch in der Messbarkeit: Klicks und Anfragen sind zählbar, diese Möglichkeit fehlt bei klassischen Printkampagnen. Dass Immobilienprojekte eigene Homepages haben, ist ohnedies der Regelfall. Diese ganz vorn zu platzieren und zu analysieren ist eine der wichtigsten Aufgaben. Oft kommt der augenscheinlichste Teil des riesigen Marketingkuchens – die Kommunikation – zum Schluss, wenn Produkt, Preis und Vertrieb, Strategie und Positionierung schon längst fixiert sind. Doch dieser Zeitpunkt scheint oft sehr spät, um einem Projekt eine eindeutige Ausrichtung zu geben. Oberwalder findet es sinnvoll, so früh wie möglich einbezogen zu werden, um gemeinsam zu erarbeiten, wo und wie das Projekt positioniert werden soll. Auch um dem Makler später eine genaue Idee davon zu geben, „damit er nicht bloß einen Bauchladen an Projekten hat“. Es sei zudem notwendig, über den Unternehmensalltag in der Immobranche hinauszusehen und weitergehende Fragen zu stellen, erklärt Brey. Zum Beispiel, ob die Positionierung noch zukunftsfähig sei. Oder, was man mit einem Event genau erreichen will. „Kann man das nicht eindeutig beantworten, raten wir davon ab.“

Im Namen des Hauses

Auch die Namensgebung von Immobilienprojekten führt Auftraggeber zu Agenturen, schildert Wolf – eben wie das „Haus an der Wien“ oder das „Rivergate“. „Namen sind sehr wichtig für die Vermarktung einer Immobilie.“ Kreative zerbrechen sich dann in langen Listen darüber den Kopf. Manchmal auch mit dem Effekt, dass die mutigsten Ideen nicht einmal das Licht der Präsentation erleben. Brey moniert etwas Einfallslosigkeit: „Wenn das Objekt ein Turm ist, dann bekommt er meist einen englischen Namen mit dem Zusatz Tower. Aber wie viele solcher Tower haben wir schon in Wien?“

Kreativer Freiraum, seriöses Business

Wie sehr sich originelle Ideen mit der Ernsthaftigkeit des Immobiliengeschäfts vertragen, erscheint manchen heikel: „Die Schiene der Seriosität ist gefragt“, sagt Wolf. Selten träten die Kunden mit ganz genauen stilistischen Vorgaben an eine Agentur heran. „Die wenigsten haben konkrete Ideen“ sagt auch Oberwalder, die viele Konzepte entwickelt hat. „Es sollte nicht zu viel sein. Immerhin arbeitet man im Business-to-Business-Bereich.“

Bei allem kreativen Freiraum brauche es gerade bei Immobilien Platz für mehr Information als bei anderen Produkten. Dass Werbeagenturen, die sich sonst mit Kampagnen für Consumer Goods einen Namen machen, auch im Revier der Immobilien unterwegs sind, wird allgemein kritisch betrachtet. Es reiche nicht, als Kampagne einfach nur gut auszusehen. „Viele glauben, dass man kein Know-how braucht wie etwa jahrelange Marktanalysen.“ Das gehe bis ins Detail, meint Oberwalder: „Eine Bautafel muss anders aussehen als ein Plakat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2012)

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