Wirtschaftstreuhänder: Wissbegierige Generation Y

Wer gut im Job sein will, lernt ständig dazu. 70 Prozent Wissen kommen durch Selbermachen, 20 Prozent durch Abschauen und 10 Prozent aus Kursen.

Man dürfe die Generation Y nicht mit früheren Jahrgängen vergleichen, gab Ursula Axmann, Geschäftsführerin des WU ZBP Career Centers, Mittwochabend der Diskussionsrunde einen ersten Überblick. Zum Auftakt des neuen „Presse“-Formats „Kanzlei und Karriere für Wirtschaftstreuhänder“ beschrieben Experten Freud und Leid in Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Die nach 1980 Geborenen erlebten das anders als ihre Vorgänger, berichtete Axmann. Sie pflegen einen „Blended Lifestyle“, Phasen des Lernens, Arbeitens, der Auslandspraxis und des neuerlichen Lernens würden rasch abwechseln oder parallel nebeneinander laufen. Bevor man sich für einen Arbeitgeber entscheide, würde man sich gut informieren, dessen Seiten durchforsten, Kununu-Bewertungen checken, sich mit Kollegen austauschen und auf Veranstaltungen und Kandidatenmessen das persönliche Gespräch mit Firmenvertretern suchen. Was sie auch jedem ans Herz legte, denn „man muss ein Gespür entwickeln, ob man dort hineinpasst.“

Modere Wissensnomaden mit Lerndrang

Wie aber zieht man als Arbeitgeber solch anspruchsvolle Talente an? Wie hält und bindet man sie?

Es ist die Aus- und Weiterbildung, die den Arbeitgeber attraktiv und die Karriere des Wirtschaftstreuhänders so „geil“ mache, fand Lieve Van Utterbeeck. Die KPMG-Partnerin rückte auch gleich die Ansicht zurecht, der Drang nach Wissen wäre eine Erfindung der Generation Y: „Das war schon vor 25 Jahren so. Auch mir war damals Weiterentwicklung wichtig. Deswegen bin ich von Belgien nach Amerika gegangen und nach jahren des Arbeitens und Lernens hier in Österreich gelandet.“

Als eine der „Big Four“-Kanzleien fördere KPMG das ständige am-Ball-Bleiben mit einem üppigen Ausbildungsmenü, einer Kombination aus Seminaren  (nomen est omen: die interne Bezeichnung der Reihe lautet „Up-to-Date“) und ständigem On-the-Job-Lernen: „Selbst nach 25 Jahren lerne ich jeden Tag etwas dazu.“

„Man muss nur wissen, was man will“

Oyvind Bo, Executive Manager der Personalberatung Michael Page, bestätigte Wissenshunger als großen Trend im Markt: „Stetiges Lernen anzubieten wird in allen Branchen ein Muss. Wobei der Fokus weniger auf Weiterbildung, sondern mehr auf Weiterentwicklung liegt.“

Dazu passt die Faustregel von Allianz Human Resources-Leiter Norbert Dörner: 70 Prozent seines Wissens erwerbe man durch Selbermachen, 20 Prozent durch Abschauen und nur zehn Prozent durch Kurse und Lernen. „Etwas selbst zu erfahren ist wichtiger als Seminare zu besuchen!“ Dörners Recruitingpraxis sei bereits auf Puzzlestein-Lebensläufe eingestellt, er knüpfe Kontakte mit Praktikanten, die oft nach dem Bachelor oder während ihrer Masterarbeit fix einsteigen: „Das Unternehmen stellt sich gerne auf Lebensplanung und Zeitmanagement eines Mitarbeiters ein. Er muss nur wissen, was er will.“

Dabei müssen sich Geben und Nehmen jedoch die Waage halten, warf Van Utterbeeck ein: „Erst muss ich bereit sein, Leistung zu geben. Dann darf ich auch gerne nehmen.“ Absolventenexpertin Axmann gab Bonmots aus ihrer Praxis zum Besten: „Auf einer Messe hat einmal ein Studierender eine Firma gefragt: ,Und was bieten Sie mir?'“ Auch Sätze wie „Warum sollte ich zu Ihnen kommen?“ weisen auf einen falschen Zugang zum Wert Leistung hin. Den Job hätte keiner der beiden bekommen.

„Eine Herausforderung, aber eine schöne“

Ja, die Arbeit in einer Treuhandkanzlei ist hart. KPMG-Partnerin Van Utterbeeck beschönigte nicht, dass in der Prüfungssaison von Oktober bis April zahllose Überstunden anfallen. Man hetze zwar von Klienten zu Klienten, werde dabei aber ständig vom Team beobachtet, begleitet und gecoacht: „Man lernt vom täglichen Feedback.“ Wer zeitgleich etwa für seine Steuerprüfung lerne, müsse hohe Selbstmotivation mitbringen: „Der Job ist eine Herausforderung. Aber eine schöne!“ Wichtig sei, mit dem Vorgesetzten einen Arbeits- und Fortbildungsplan zu erstellen und dessen Erfüllung selbst in die Hand zu nehmen. Von Zeitausgleich bis Sabbatical stünden jedenfalls alle Varianten offen.

Berufung für Philanthropen

Als einen der wesentlichen Vorzüge des Berufes nannte sie die Zusammenarbeit mit vielen, höchst unterschiedlichen Menschen in den internen Teams und beim Kunden: „Selbst wenn jemand unangenehm ist, muss ich nicht jeden Tag mit ihm am selben Tisch sitzen.“ Dennoch gelte auch hier, dass man sich beim Unternehmen bewerbe, es aber wegen der Führungskraft wieder verlasse, strich Personalberater Bo die Rolle des Teamleaders als Dreh- und Angelpunkt heraus.

Ob man mit Wissensvermittlung die Personalfluktuation senken könne, war eine Frage aus dem Publikum. Dörner bejahte. Diese zu reduzieren war einer der Gründe für das Engagement seines Konzerns in Weiterbildung und ihmzufolge ist die Rechnung voll aufgegangen. Auch kleine Kanzleien springen bereits auf den Weiterbildungszug auf, berichtete Axmann: „Es ist eine Mär, dass nur die Großen in ihre Mitarbeiter investieren. Man braucht dafür keine Personalabteilung. Der Mitarbeiter muss sich nur informieren und ständig nachhaken.“

Van Utterbeeck stellte ihr neues Traineeprogramm für Audit, Tax und Advisory als Bindungsmaßnahme vor: „Alle Anbieter rechnen dennoch mit dem Anstieg der Fluktuation nach drei bis fünf Jahren.“ Der Grund: Ein paar Jahre Prüfungserfahrung steigern den Marktwert enorm. Was wiederum Personalberater Bo freut: „Die Kunden wissen, dass jemand dann auch seine Stressresistenz bewiesen hat. Das öffnet viele Türen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.5.2012)

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