EU-Budget: "Exzessive" Kosten bei EU-Agenturen

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Das Europaparlament verweigert drei Sonderbehörden fürs Erste die Genehmigung ihrer Budgets des Jahres 2010. Budgetär und personell liegt einiges im Argen, vor allem bei der Umweltagentur mit Sitz in Kopenhagen.

Brüssel. Die Missstände bei drei EU-Agenturen haben nun ein finanzielles Nachspiel: Das Europaparlament lehnte am Donnerstag in Brüssel seine Zustimmung zu den Budgets des Jahres 2010 ab. Erst im Oktober werden die Abgeordneten darüber befinden, ob sie den Haushalten der Lebensmittelagentur, der Arzneimittelagentur und der Umweltagentur zustimmen oder nicht.

Keine Ausschreibung für „Kunst"

Vor allem bei der Umweltagentur mit Sitz in Kopenhagen liegt viel im Argen. So stellte sich zum Beispiel heraus, dass die Agentur auf ihrem Gebäude um 294.641 Euro eine „grüne Fassade" mit lebenden Pflanzen installieren ließ. Allerdings verzichtete die Agentur darauf, diesen Auftrag öffentlich auszuschreiben. Auf die Kritik des Parlaments antwortete die Agentur, dass die EU-Finanzvorschriften es erlaubten, „aus künstlerischen Gründen" Projekte nicht auszuschreiben, sondern ihre Preise einzeln zu verhandeln.

Bemerkenswert ist allerdings, dass die Agentur im selben Schreiben erklärte, die „grüne Fassade" sei „ein Kommunikationsprojekt" gewesen und von einem „Konsortium von Ingenieuren, Architekten und der Universität Kopenhagen" installiert worden. Ob sie übrigens besonders umweltfreundlich war, ist strittig: Schließlich benötigten die Pflanzen auf der Fassade im besagten Jahr 500 Kubikmeter Wasser - ein halbes olympisches Schwimmbecken. Auch einen zweiten Vorwurf konnte die Umweltagentur nicht wirklich entkräften.

Von Juni 2010 bis April 2011 war Agenturchefin Jacqueline McGlade gleichzeitig im Beratergremium der privaten Umweltorganisation Earthwatch. Sie und 28 Mitarbeiter der Agentur begaben sich in dieser Zeit auf mehrtätige „Forschungsreisen" in die Karibik und in den Mittelmeerraum. Für Earthwatch, aber auf Kosten der Umweltagentur: 33.791 Euro überwies die Agentur an Earthwatch. Das riecht nach der Subventionierung eines privaten Vereins, bei dem Agenturchefin McGlade eine wesentliche Rolle hat. McGlade ging darauf nicht weiter ein, sondern hielt nur fest, es habe keinen Interessenkonflikt gegeben. Die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek ließ der „Presse" mitteilen, dass die Umweltagentur dennoch alle Kritik ausgeräumt habe. Ihrer Budgetentlastung im Herbst stehe aus Sicht der Grünen nichts mehr im Wege. Die Sozialdemokraten sehen das ebenso, die anderen Fraktionen im Parlament aber nicht.

„Massive Einschnitte"

Auch die Lebensmittelagentur Efsa kommt immer stärker in die Kritik. Am Mittwoch, einen Tag vor der Budgetentlastung, trat das Efsa-Vorstandsmitglied Diána Bánáti zurück. Sie nimmt dafür einen Job als Europa-Chefin des „International Life Sciences Institute" an. Das ist eine Lobbyorganisation, der Konzerne wie Coca-Cola, McDonald's, ExxonMobil oder Dow Chemicals angehören. Schon vor Beginn ihrer Amtszeit bei der Efsa hat sie für diese Organisation gearbeitet. Ein Sprecher der Europäischen Kommission erklärte zwar, er „bedauere es, dass Frau Bánáti direkt" wechsle. Allerdings sei es nicht verboten.

Bánáti ist nicht die erste Efsa-Funktionärin, die ohne „Abkühlphase" einen Job in der Lobbyistenwelt annimmt. Doch dieses Postenkarussell ist nur einer von vielen Kritikpunkten des Europaparlaments. Die Abgeordneten waren auch höchst verwundert darüber, dass die Durchschnittskosten der Aufsichtsratssitzungen der Efsa pro Person und Sitzung 6175 Euro betrugen. Das sei „exzessiv" und bedürfe „drastischer Einschnitte".

Auf einen Blick

Drei EU-Behörden müssen um die Genehmigung ihrer Budgets des Jahres 2010 zittern. Bei der Umwelt-, der Arzneimittel- und der Lebensmittelagentur gab es nach Ansicht des Europaparlaments schwere Missstände im Umgang mit dem Geld der Steuerzahler. Im Oktober fällt die Entscheidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2012)

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