Frankreich: Absolute Mehrheit für Sozialisten

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Frankreich Absolute Mehrheit fuer(c) EPA (YOAN VALAT)
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Der Machtwechsel ist perfekt. François Hollande kann mit seiner Partei alleine regieren und ist nicht auf die Linksfront oder die mit ihm verbündeten Grünen angewiesen.

[Paris] Als Sonntagabend die Wahllokale schlossen, endete mit der zweiten Runde der Wahl zur Nationalversammlung in Frankreich ein langer Wahlmarathon: Begonnen hatte er im Herbst 2011 mit der Nominierung des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande, der dann Anfang Mai über Amtsinhaber Nicolas Sarkozy triumphierte.

Die Wählerschaft ist konsequent geblieben und hat dem linken Staatsoberhaupt nun auch eine eindrucksvolle Parlamentsmehrheit gegeben, die er für das Durchregieren braucht: Bei der Stichwahl am Sonntag schafften die Sozialisten eine absolute Mehrheit. Dies zeichnete sich ab, noch bevor alle Resultatealler 541 Wahlkreise bekannt waren, in denen es zu einem Stichentscheid gekommen war. In einigen Wahlkreisen traten wegen des komplizierten Wahlrechts sogar drei Kandidaten gegeneinander an.

Die Sozialisten werden laut zwei Hochrechnungen in der großen Kammer über mehr als 300 von 577 Sitzen verfügen, und sind damit nicht einmal auf die Hilfe ihrer Koalitionspartner von „Europe Ecologie Les Verts" (Grüne) angewiesen sind. Unter Einschluss der übrigen Alliierten und den Vertretern der radikalen Linksfront soll die Linksmehrheit laut diesen Schätzungen sogar 330 bis 340 Mandate ausmachen. Der Linkstrend hielt somit auch im zweiten Durchgang der Parlamentswahl an, bei der die Beteiligung auf für französische Verhältnisse tiefe 56 Prozent gesunken war.

Marine Le Pen schaffte es nicht

Besonders gespannt war man auf das Abschneiden zahlreicher Prominenter. Von den Regierungsmitgliedern, die ihre Kandidatur als Test ihrer Wählergunst benutzten, wurden trotz einer riskanten Ausgangslage sowohl Kulturministerin Aurélie Filippetti in Lothringen wie auch Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Moscovici in Besançon gewählt. Auch die Ministerin für Behinderte, Marie-Arlette Carlotti, der gegen den UMP-Spitzenpolitiker Renaud Muselier in Marseille nur wenig Chancen eingeräumt worden waren, setzte sich dank dieser rosaroten Welle durch.

Dagegen unterlag Ségolène Royal, die ehemalige sozialistische Präsidentschaftskandidatin von 2007, im Wahlduell gegen einen Parteikollegen, Olivier Falorni, mit rund 45 zu 55 Prozent der abgegebenen Stimmen. Statt wie geplant in Paris den Vorsitz der Nationalversammlung zu übernehmen, muss sich Royal künftig darauf beschränken, ihr Amt als Präsidentin der Region Poitou-Charentes auszuüben. Falorni hatte gegen den ausdrücklichen Willen der Parteileitung seine Kandidatur gegen sie aufrecht erhalten. Diese Niederlage ist für Royal besonders bitter, weil ihr Gegner per Twitter von der Lebensgefährtin ihres Ex-Partners, von François Hollande, ermutigt worden war.

Keine Freude dürfte dieser daran haben, dass höchstwahrscheinlich mit der erst 22-jährigen Marion Maréchal-Le Pen mindestens eine Kandidatin des rechstextremen Front National ins Parlament gewählt wurde. Parteichefin Marine Le Pen soll dagegen ihre Wahl in Hénin-Beaumint knapp verpasst haben. Die Umfrageinstitute rechneten gestern Abend mit zwei bis maximal vier Sitzen für den Front National.

UMP vermied schwere Schlappe

Während diese Erfolge der Rechtspopulisten die einen schockieren, finden es andere in Frankreich nur normal, dass eine Partei, die am vergangenen Sonntag im Landesdurchschnitt 13,6 Prozent und bei der Präsidentschaftswahl mit ihrer Kandidatin Marine Le Pen 17,9 Prozent der Stimmen erhalten hatten, auch in der Volksvertretung mit Abgeordneten repräsentiert ist.
Die konservative UMP und ihre Verbündeten haben rund 230 Sitze ihrer früheren Rechtsmehrheit von 345 verteidigt und damit zumindest eine schwere Schlappe vermeiden können. Wie die ehemaligen Minister Nadine Morano oder Frédéric Lefebvre haben aber mehrere einstige Regierungsmitglieder ihre Wahl verpasst.

Sozialisten dankten Hilfe nicht

Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt die Niederlage beim Zentrumsdemokraten François Bayrou in Pau im Französischen Baskenland. Er hatte zuletzt am 6. Mai für den Sozialisten Hollande Partei ergriffen. Die Sozialisten danken es ihm, indem sie eine Kandidatin gegen ihn aufstellten, die nun an seiner Stelle gewählt wurde.
Eine Gefahr besteht für die Sozialisten freilich: Nach der Wahl könnten die Flügelkämpfe unter den Abgeordneten wieder aufflackern. Hollande hat zwar angekündigt, sich sich aus den Parteiangelegenheiten weitgehend heraushalten zu wollen, damit wird aber auch seine Autorität als „politischer Familienvater" fehlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2012)

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