Frankreichs Präsident Hollande hat nun freie Hand für seine Reformpolitik. Die Front National ist künftig mit zwei Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten.
Der neue französische Präsident Francois Hollande wird künftig als erster sozialistischer Staatschef mit Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments regieren können. Er hat nun freie Hand für seine Reformpolitik. Sechs Wochen nach seiner Wahl ging seine Parti Socialiste (PS) am Sonntag auch als große Siegerin aus dem zweiten Durchgang der Wahlen zur Nationalversammlung hervor. Laut dem offiziellen Ergebnis, das in der Nacht auf Montag vom Innenministerium in Paris veröffentlicht wurde, errangen die PS und ihre engen Verbündeten 314 der insgesamt 577 Sitze im Parlament. Im Senat, der zweiten Parlamentskammer, stellt die französische Linke bereits seit dem Vorjahr die Mehrheit.
Die konservative UMP (Union für eine Volksbewegung) und ihre Verbündeten, die bei der Parlamentswahl 2007 noch über 300 Sitze errungen hatten, stellen künftig nur noch 229 Abgeordnete. Einen Erfolg erzielte die rechtsextreme Front National (FN): Sie entsendet zwei Abgeordnete in die Nationalversammlung.
Am Montagvormittag folgte der nächste Schritt: Entsprechend der Tradition hat die französische Regierung ihren Rücktritt eingereicht und Hollande Premierminister Jean-Marc Ayrault umgehend mit der Bildung einer neuen Regierung betraut. Es wird erwartet, dass die neue Mannschaft auch der alten entspricht. Möglicherweise gibt es kleinere Veränderungen, die voraussichtlich am Donnerstag bekanntgegeben werden.
Auftrag zum Bruch mit konservativer Politik
PS-Parteichefin Martine Aubry interpretierte den Wahlsieg am Abend als klaren Auftrag zum Bruch mit der Politik des konservativen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy. Premierminister Jean-Marc Ayrault warnte dagegen: "Nichts wird einfach sein." Die Arbeitslosenquote in Frankreich stieg zuletzt auf den höchsten Stand seit Ende der 90er Jahre. Das Haushaltsdefizit lag 2011 über dem EU-Grenzwert von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ein Wermutstropfen für die PS bei der Parlaments-Stichwahl war die Niederlage der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin und Spitzenpolitikerin Segolene Royal, Hollandes frühere Lebensgefährtin. Die 58-Jährige verlor in ihrem Wahlkreis gegen Partei-Dissident Olivier Falorni. Dieser war zum Entsetzen vieler Genossen ausgerechnet von Hollandes jetziger Lebensgefährtin Valerie Trierweiler öffentlich unterstützt worden. Royal nannte ihren Gegenkandidaten einen "Mann der Rechten" und sprach von "politischem Verrat". Auch ihr langjähriger Weggefährte und Ex-Kulturminister Jack Lang verlor sein Mandat.
Le Pen die jüngste Parlamentarierin
Die Union für eine Volksbewegung (UMP) stürzte erdrutschartig ab und wechselt erstmals seit 2002 wieder auf die Oppositionsbank. Der Zentrumspolitiker Francois Bayrou steht vor dem Aus. Die rechtsextreme Front National (FN) wird dagegen erstmals seit 1998 wieder im Parlament vertreten sein. Trotz eines zweistelligen Prozentergebnisses auf Landesebene lag sie am späten Abend aber nur bei zwei Abgeordneten. Hintergrund ist das Mehrheitswahlrecht in Frankreich, das kleine Parteien ohne Bündnispartner stark benachteiligt.
FN-Parteichefin Marine Le Pen musste eine knappe Niederlage einstecken. Sie verlor in ihrem Wahlkreis gegen den sozialistischen Gegenkandidaten. Ihre 22 Jahre alte Nichte Marion Marechal-Le Pen wird dagegen Frankreichs jüngste Parlamentarierin. Marine Le Pen würdigt den Einzug der FN in die Nationalversammlung als Erfolg. Zweiter FN-Abgeordneter wird Staranwalt Gilbert Collard, der umstrittene Prominente - unter anderem den Auschwitz-Leugner Bernard Notin - verteidigte.
Das extrem linke Wahlbündnis Front de Gauche um Jean-Luc Melenchon konnte mit dem Ergebnis hingegen nicht zufrieden sein. Es hätte sich Fraktionsstärke mit 15 Sitzen erhofft, wurde aber in Hochrechnungen nur bei zehn Mandaten gesehen.
Reform gegen die Wahlmüdigkeit
Hollande hat bereits eine Reform des Wahlrechts angekündigt, das für die große Wahlmüdigkeit mit verantwortlich gemacht wird. Die Beteiligung lag Hochrechnungen zufolge bei 56 Prozent und damit etwa 24 Prozentpunkte unter dem Wert der Präsidentenwahl am 6. Mai.
Österreichs SP-Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich am Montag in einer Aussendung erfreut über den "großartigen Erfolg" der Sozialisten. Das Ergebnis sei eine Bestätigung der Politik von Hollande und dessen Premierministers Jean-Marc Ayrault. FP-Obmann Heinz-Christian Strache gratulierte indes der rechtsextremen FN zu ihrem Einzug in die Nationalversammlung. Der Erfolg habe einmal mehr den europäischen Trend hin zu "patriotischen Parteien" bewiesen.
(Ag./Red.)