Schuldenkrise: Italien gegen Deutschland im Gipfelduell

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Monti drängt Merkel zur gemeinsamen Schuldentilgung. Und warnt, dass andernfalls „der Euro zur Hölle fährt".

Brüssel. Im Verhandlungssaal des Brüsseler Justus-Lipsius-Gebäudes gibt es Donnerstagabend keinen Fernseher. Das EM-Halbfinale wurde zumindest offiziell vom Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs ausgeschlossen. "Wir müssen ernsthaft arbeiten, und das wäre nicht ernsthaft", sagte einer der Diplomaten. Nur in den Gängen und Nebenräumen, auf Tablets und Smartphones läuft das Spiel aus Warschau. Drinnen im Saal liefern sich indessen die gleichen Nationen ein politisches Match: Deutschland gegen Italien. Schon in den letzten Stunden vor dem Treffen hatten sich ihre Positionen verhärtet. Auf der einen Seite Bundeskanzlerin Angela Merkel, die klargestellt hat, „nie im Leben" eine gemeinsame Haftung für die Gesamtschulden in Europa zu akzeptieren. Das war eine deutliche Absage an die von südeuropäischen Staaten und Frankreich geforderten Eurobonds. Auf der anderen Seite machte Italiens Ministerpräsident Mario Monti erheblichen Druck für eine gemeinsame Teilhaftung von Schulden, um den mittlerweile immens hohen Zinsen von bis zu 6,2 Prozent für Staatsanleihen seines Landes zu entkommen.

Wenn die Italiener entmutigt würden, könnte das „politische Kräfte" freisetzen, die die europäische Integration und den Euro „zur Hölle fahren lassen", warnte Monti bei seiner Ankunft in Brüssel. Der Hintergrund dieser Warnung ist durchaus dramatisch. Italien braucht bei derart hohen Zinsen derzeit jährlich 200 Milliarden Euro, um sich weiterhin zu finanzieren. So viel Geld kann selbst bei erheblichen Einsparungen im nationalen Haushalt nicht mehr aufgebracht werden. Rom hofft deshalb, dass die Euroländer zumindest einen Teil ihrer Staatsschulden künftig gemeinsam bedienen. Gäbe es beispielsweise einen Schuldentilgungsfonds, der alle Staatsschulden, die über 60 Prozent des BIPs liegen, in einem gemeinsamen Topf vereint, könnten die Zinsen auf eine annehmbare Höhe von unter drei Prozent sinken. Das verschaffte Italien wieder Luft zum Atmen und würde auch die Situation für das zweite große Sorgenkind der Eurozone, Spanien, erleichtern. Dort hat sich die Situation ebenfalls zugespitzt. Der Zinssatz für zehnjährige Anleihen stieg auf 6,8 Prozent. Premier Mariano Rajoy warnt: „Wir können uns nicht mehr lange finanzieren."

Merkel hat bisher jegliche Form einer gemeinsamen Haftung für hoch verschuldete Länder abgelehnt, weil dies ihr Land teuer zu stehen käme. Am Mittwoch hieß es aber aus Ratskreisen, die Bundeskanzlerin werde sich bewegen müssen, sonst bahne sich eine Katastrophe an. IWF-Chefin Christine Lagarde warnte: Wenn die Eurozone keine gemeinsame Strategie entwickle, sei im September Schluss mit lustig.

Doch über eine gemeinsame Strategie herrschte auch bei diesem Gipfel Uneinigkeit. Die Staats- und Regierungschefs unterstützten zwar gemeinsam ein neues Wachstumspaket, für das 120 Milliarden Euro umgeschichtet werden, und einigten sich auf eine Verlängerung der Amtszeit für Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Der Durchbruch für die von Berlin geforderte Fiskalunion mit einer engmaschigen Kontrolle nationaler Haushalte blieb aber ebenso aus wie eine Einigung über eine gemeinsame Schuldenfinanzierung.
Angesichts dieser Pattstellung versuchte Italiens Ministerpräsident Mario Monti zumindest eine kurzfristige Erleichterung für die ausufernden Zinsen zu erreichen. Ob dies über neuerliche Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank oder etwa über Ausfallsgarantien für italienische Anleihen durch den Euro-Rettungsschirm EFSF erreicht werden soll, blieb vorerst unklar.

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