Die Grünen ringen der Regierung Zugeständnisse für ihr Ja zum Euro-Rettungsschirm ab. Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass die Oppositionspartei mit SPÖ und ÖVP "koaliert".
Wien. Es waren harte Verhandlungen über Wochen – mit einem Happy End für die Regierung. Denn die Grünen werden nun doch für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) stimmen. Am Mittwoch soll er den österreichischen Nationalrat passieren.
Hartnäckig hatten die Grünen zuvor unter Federführung von Vizeklubchef Werner Kogler auf ihren Forderungen beharrt und sich im Wesentlichen durchgesetzt. Eine Bedingung war ein verstärkter Einsatz der Regierung für die Finanztransaktionssteuer. Eine EU-weite Einführung ist nicht möglich, weil sich Großbritannien und Schweden dagegen wehren. Als Ersatzlösung soll die Abgabe nur in zehn Staaten – darunter Österreich – verwirklicht werden. Über einen gemeinsamen Antrag wird die EU-Kommission befinden. Eingehoben würde die Steuer aber „frühestens ab Jänner 2014“, wie selbst Kogler betont. Zweitens drängen die Grünen auf zusätzliche Investitionen in Wachstum und Beschäftigung – eine Forderung, die sie durch das 120 Milliarden Euro schwere Wachstumspaket, das beim letzten Gipfel beschlossen wurde, fürs Erste erfüllt sehen.
Offen ist hingegen, ob es jemals einen „Konvent für Europa“ geben wird, für den sich die Regierung auf Drängen der Grünen einsetzen will. Im Rahmen dessen will die Oppositionspartei bei Beschlüssen über die Zukunft der EU Volksabstimmungen und Eurobonds – gemeinsame Staatsanleihen der Euroländer – durchsetzen.
Eine weitere Forderung betrifft weitreichende Mitspracherechte des österreichischen Parlaments bei Entscheidungen zum ESM: Es werden eigens zwei Unterausschüsse eingerichtet, die der Finanzministerin mit einfacher Mehrheit die Ermächtigung für den Beschluss wesentlicher ESM-Entscheidungen erteilen können. Grünen-Chefin Eva Glawischnig nannte diese Praxis gestern „europaweit einzigartig“.
Kluft zu FPÖ und BZÖ wird immer größer
Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass SPÖ und ÖVP mit den Grünen „koalieren“, um ein Gesetz mit Zweidrittelmehrheit beschließen zu können: Schon beim Transparenzpakt, das in der Vorwoche das Parlament passierte, trotzten die Grünen der Regierung einige Zugeständnisse ab. Unter anderem wurde die Grenze, ab der Parteispenden veröffentlicht werden müssen, von 5000 auf 3500 Euro gesenkt.
Die Kluft zu den anderen Oppositionsparteien wird dafür immer größer – inhaltlich wie zwischenmenschlich. Die Einigung rund um den ESM veranlasste FPÖ und BZÖ am Montag zu scharfer Kritik an der „rot-schwarz-grünen Dreierbande“, wie Heinz-Christian Strache sie neuerdings nennt. Der FPÖ-Chef sprach sogar von einem „Ermächtigungsgesetz“, durch das Österreich seine Souveränität an Brüssel abtrete – eine Anspielung an das deutsche Ermächtigungsgesetz vom 24.März 1933, das Adolf Hitler für seine diktatorischen Pläne nutzte. „Wir stehen heute am Beginn einer europäischen Finanzdiktatur“, meinte Strache.
BZÖ-Chef Josef Bucher kündigte Widerstand gegen den ESM an – und ließ nicht nur an SPÖ und ÖVP kein gutes Haar: Wenn die Grünen den Österreichern ihre Mitbestimmung verweigerten, „zeigen sie ihr wahres Gesicht“. Sie sollten daher „nie wieder mehr direkte Demokratie fordern“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2012)