Zu wenige Lehrer für Schmieds Neue Mittelschule

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Die Landesschulräte warnen vor einem Mangel an AHS- und BHS-Lehrern in den Neuen Mittelschulen. In Tirol können etwa nur 70 Prozent der vorgesehenen Unterrichtsstunden besetzt werden.

Wien. Der Plan der Unterrichtsministerin scheint an der Realität zu scheitern: Sie wollte die Neue Mittelschule (NMS) zum Vorzeigeprojekt machen. Geschafft werden sollte das unter anderem durch den gemeinsamen Einsatz von Hauptschullehrern und Lehrern von höheren Schulen. Der Lehrermangel und die fehlende Bereitschaft der AHS-Lehrer, in die Neue Mittelschule zu wechseln, machen das Vorhaben von Claudia Schmied (SPÖ) nun aber zunichte. Die zuständigen Landesschulräte warnen: Der Bedarf an AHS- und BHS-Lehrern kann nicht mehr gedeckt werden.

So etwa in Tirol. Im kommenden Schuljahr können dort nur 70 Prozent der vorgesehenen Unterrichtsstunden auch tatsächlich von Lehrern aus allgemein- und berufsbildenden höheren Schulen (AHS, BHS) abgehalten werden. Auch aus dem Büro des Steirischen Landesschulratspräsidenten heißt es, die Situation sei „relativ schwierig“. In Oberösterreich kann ein ernster Lehrermangel in den Neuen Mittelschulen genauso wenig ausgeschlossen werden wie in Niederösterreich und Vorarlberg. Ein herber Rückschlag für Schmieds Prestigeprojekt – war doch das vorgesehene Teamteaching einer der Kernpunkte der Reform. Sechs Stunden wöchentlich sollten dabei ein AHS- bzw. BHS- und ein Hauptschullehrer gemeinsam unterrichten. Im Ministerium beruhigt man: Es handle sich nur um punktuelle Probleme.

Noch kein negativer Höhepunkt

Tatsächlich ist der Lehrermangel an den Neuen Mittelschulen noch überschaubar. In den kommenden Jahren wird dieser aber eklatanter werden. Einerseits, da eine große Pensionierungswelle bevorsteht und damit generell weniger Lehrer zur Verfügung stehen werden. Andererseits, weil der Bedarf an Bundeslehrern mit der Anzahl der Neuen Mittelschulen steigt. Bislang gibt es 434 Standorte, im Herbst werden es 698 sein. Im Schuljahr 2018/19 soll die Neue Mittelschule die Hauptschule endgültig abgelöst haben. „Der Vollausbau ist eine große Belastung“, sagt der bisherige Kärntner Landeschulratspräsident Walter Ebner.

Hinzu kommt, dass die Lehrer höherer Schulen laut Gesetz in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch eingesetzt werden müssen. Bislang war das nicht der Fall – AHS- und BHS-Lehrer unterrichteten vielfach auch in Nebenfächern. „Es ist eine Tatsache, dass in den Vorarlberger Neuen Mittelschulen in keinem einzigen Hauptfach ein AHS- oder BHS-Lehrer unterrichtet. Sollte jemand etwas anderes behaupten, schaue ich mir das an“, sagt Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen. Ganz so drastisch sei die Situation nicht, widerspricht der Vorarlberger Landesschulratspräsident Siegi Stemer (ÖVP). Aber: „Ja, der Lehrermangel ist ein Problem. Der Einsatz von AHS- und BHS-Lehrern könnte besser funktionieren.“ Der Oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer sieht die Situation pragmatisch: Ein flächendeckender Einsatz von AHS- und BHS-Lehrern in den Hauptfächern sei „sowieso nicht möglich“. Das sei schon „immer sonnenklar“ gewesen. Das Unterrichtsministerium solle von der Bestrebung, Bundeslehrer ausschließlich in den Hauptfächern einzusetzen, völlig abgehen und damit das ursprüngliche Konzept über Bord werfen.

Bleibt die Frage, warum viel zu wenige AHS-Lehrer in die Neue Mittelschule wechseln wollen. „Ich glaube, dass das am Standesdünkel liegt“, sagt Schmied im Interview mit der „Presse“. Zu einem Wechsel an die Neue Mittelschule will das Unterrichtsministerium die AHS-Lehrer zwar nicht verpflichten („Knebelverträge werden natürlich keine abgeschlossen“). Die Bereitschaft, in der Neuen Mittelschule zu unterrichten, solle aber zumindest ein Pluspunkt bei der Anstellung sein.

Auf einen Blick

Die Neue Mittelschule wird mit kommendem Schuljahr zur Regelschule. Ab dem Schuljahr 2018/2019 soll es keine Hauptschulen mehr geben. Zentrales Element der Neuen Mittelschule: Lehrer aus höheren Schulen und Hauptschullehrer sollen – im Ausmaß von sechs Stunden – gemeinsam unterrichten. Dieses sogenannte Teamteaching soll in den Hauptfächern stattfinden. Angesichts des Lehrermangels wird das zum großen Problem werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2012)

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