Laut einer aktuellen Studie könnten die am Libor-Zinskartell beteiligten Banken bis zu 22 Milliarden Dollar an Strafen und Schadenersatz zu zahlen haben.
Wien/Jil/Ag. Der Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze kann für die beteiligten Banken richtig teuer werden. Analystenschätzungen zufolge drohen zahlreichen Instituten teils milliardenschwere Strafen und Schadenersatzforderungen. Ermittelt wird gegen mehr als zehn Großbanken, die an der Erstellung des Interbanken-Zinssatzes Libor beteiligt sind. Darunter sind so illustre Namen wie JP Morgan, HSBC oder Citigroup. Die britische Barclays hat den Betrug bereits zugegeben und einen Vergleich in der Höhe von 363 Mio. Euro geschlossen.
Eine aktuelle Studie der US-Investmentbank Morgan Stanley kommt nun auf mögliche Strafzahlungen von insgesamt 22 Mrd. Dollar (18,1 Mrd. Euro), die die am Zinskartell beteiligten Banken schlimmstenfalls zahlen müssten. Dabei nahmen die Analysten die Summe von umgerechnet 450 Mio. Dollar als Basis, die britische und US-amerikanische Aufsichtsbehörden der Barclays Bank aufgebrummt hatten. Allerdings schränkten die Experten ein, ihre Schätzungen seien nur „grob“.
Geithner warnte BoE schon 2008
Neben Barclays stehen weitere Banken aus Europa, den USA und Asien im Visier der Aufsichtsbehörden, darunter auch die Deutsche Bank. Die finanziellen Belastungen für die Frankfurter könnten sich nach Schätzungen der Morgan-Stanley-Analysten auf 1,04 Mrd. Dollar belaufen. Es sei die zweithöchste Summe unter allen Banken, stellte die Finanznachrichtenagentur Bloomberg fest, nur übertroffen von der Royal Bank of Scotland mit 1,06 Mrd. Dollar.
Wie am Freitag bekannt wurde, drängten die USA offenbar bereits vor vier Jahren die Bank of England (BoE) zu Änderungen bei der Festsetzung des Londoner Interbanken-Zinssatzes Libor. US-Finanzminister Timothy Geithner empfahl schon im Juni 2008 als damaliger New Yorker Regionalchef der Notenbank Federal Reserve dem BoE-Chef Mervyn King in einem privaten E-Mail sechs Möglichkeiten, um die Glaubwürdigkeit des Libor-Satzes zu stärken. Die BoE reagierte damals nicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2012)