Sopranistinnen knien vor Christian Thielemann, und Katharina Wagner ist gegen die langsame Deutsche Bahn.
Das musste zu Missverständnissen führen: Festspielchefin Katharina Wagner bekannte im „Spiegel“, sie verfluche ihren Urgroßvater täglich dafür, dass er sein Festspielhaus in Bayreuth errichten ließ. Denn in dieser Stadt sei, so die Urenkelin des Dichter-Komponisten, „alles so schwer zu erreichen“. Das mochten die Stadtväter nicht lesen, weshalb Wagner in einem Lokalblatt präzisierte, sie hätte es mit der Erreichbarkeit buchstäblich gemeint – die Deutsche Bahn hätte ja sogar den ICE, der einst im Festspielstädtchen hielt, wieder abgeschafft. Festspielpilger wissen ein Lied davon zu singen, wie recht Frau Wagner hat. Zu Wagner zu reisen, das bedeutet immensen Aufwand.
Freilich, wer einmal auf dem grünen Hügel angelangt ist, der empfindet die sprichwörtlichen Freuden der Eingeweihten. Vor allem, wenn man sich musikalisch bei Dirigenten wie Christian Thielemann in Abrahams Schoß fühlen darf. Der 53-jährige Berliner ist längst zum heimlichen Musikchef des Festivals geworden – und studiert heuer nicht nur die Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“ ein, sondern übernimmt auch die Aufführungsserie des „Tannhäuser“. Der hatte im Vorjahr glücklos Premiere. Weder mit Thomas Hengelbrocks Dirigat noch mit der Regie Sebastian Baumgartens wurde das Publikum glücklich. Wie Thielemanns „Tannhäuser“ klingt, weiß man schon aus besseren Tagen mit der Vorgängerproduktion. Der Maestro fühlt sich dem Bayreuther Gedanken verbunden genug, um auch angesichts einer problematischen Inszenierung einzuspringen. „Man muss das mit Humor nehmen“, sagt er und meint gleichzeitig, der „Holländer“ sei die viel größere Herausforderung. Wagners erste kanonisierte Oper sei ganz und gar nicht auf die Bayreuther Akustik mit ihrem versenkten Orchester zugeschnitten.
„Wir haben noch keinen Krach gehabt“
Da sei viel Balancegefühl und akribische Einstudierungsarbeit gefordert. Diese hat man offenbar geleistet. Jedenfalls ist die neue Bayreuther Senta, Adrianne Pieczonka, glücklich. „Ich knie vor Thieleman“, sagt sie, „er schaut auf uns, das ist toll“, charakterisiert sie Thielemanns Kunst, Sänger zu begleiten. Nicht nur musikalisch laufen die Vorbereitungen für die traditionelle Eröffnung am 25. Juli reibungslos. Auch zwischen dem Dirigenten und dem für Bayreuth neuen Regisseur, Jan Philipp Gloger, scheint es keine Verständigungsprobleme zu geben. „Wir haben noch keinen Krach gehabt“, bilanziert Thielemann. sin
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)