Israel blickt mit Sorge nach Ägypten, denn es sah in den abgesetzten Generälen Garanten für den Friedensvertrag. Washington übt sich in Zurückhaltung.
Israels politische Führung versucht – so wie fast immer – Stillschweigen über die Entwicklungen in Ägypten zu bewahren. Doch Analytiker in Israel zeigen sich wegen der Geschehnisse in Kairo offen beunruhigt. Die Medien beschäftigen sich vor allem mit zwei Fragen: Hat das Friedensabkommen mit dem Nachbarn eine Überlebenschance, und befindet sich Ägypten nach der Entmachtung der Armeespitze nun auf dem Weg zum islamischen Gottesstaat?
Wenn Ägyptens Präsident Mohammed Mursi den Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi entlassen kann, „dann kann er auch den israelischen Botschafter nach Hause schicken“, meint Mordechai Kedar vom Begin-Sadar-Zentrum an der Bar-Ilan Universität zur „Presse“. Der Frieden mit Israel genieße bei der neuen Führung in Kairo nicht unbedingt hohe Priorität, meint Kedar, dennoch gäbe es vorläufig keine Alternative. Solange Mursi die Wirtschaft und den Tourismus beleben will, müsse er am Frieden festhalten. „Im Moment ist der Frieden aber sehr kalt.“
„Zuerst verlieren wir Mubarak, jetzt die Armee“, schreibt Boas Bismuth von der rechtsnationalen Tageszeitung „Israel Hajom“. Auch der Kommentar in der auflagenstärksten Tageszeitung „Yediot Achronot“ bedauert den Machtverlust der Armee. Damit werde einer der „Anker geschwächt“, der die „Umsetzung der Friedensabkommen mit Israel garantierte“, schreibt Alex Fischmann.
Abstimmung mit Militärrat
Von den USA, dem wichtigsten Geldgeber der ägyptischen Streitkräfte, gab es zunächst keine offizielle Reaktion zum Machtwechsel an der Militärspitze. Hinter den Kulissen ist die Einschätzung zu hören, dass Präsident Mursi seine Maßnahmen offenkundig mit dem Militärrat abgestimmt habe. Der Militärrat gebe zwar nicht die „hard power“ in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit aus der Hand. Doch die Autorität des Militärs gilt als geschwächt nach einem Angriff auf einen Armeeposten auf dem Sinai, bei dem 16 Soldaten starben. Seit diesem Zwischenfall hat Kairo die Gespräche mit Washington über eine Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, den Austausch von Geheimdienstinformationen und Ausbildung von Polizisten intensiviert.
Washingtons Zurückhaltung liegt auf der Linie des Besuchs von Hillary Clinton Mitte Juli in Kairo. Die US-Außenministerin demonstrierte dabei Freundlichkeit gegenüber dem Präsidenten, verzichtete aber auf Forderungen nach einem schnellen Ende der Militärherrschaft. Stattdessen rief sie zu Lösungen auf, bei denen Minderheitsrechte respektiert werden. Anders als beim langen Festhalten am autoritären und schließlich durch den Volksaufstand gestürzten ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak will Washington nicht wieder auf den falschen Partner setzen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2012)