Eine lächerliche Debatte, die wir ernsthaft führen sollten

Eine laecherliche Debatte ernsthaft
Eine laecherliche Debatte ernsthaft(c) Clemens Fabry
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Die ÖVP will die ÖBB an Frank Stronach verkaufen. Warum ist das eine lächerliche Diskussion, wenn wir zugleich die Neubesetzung des ÖIAG-Vorstands ernst nehmen?

Es war ein seltsamer Zufall, der die vergangene Woche beendete: Die ÖIAG – jene Einrichtung, die die Beteiligungen des Staates verwaltet – wählte ganz ernsthaft einen neuen Vorsitzenden. Zugleich amüsierte sich das Land über Frank Stronach und Michael Spindelegger, weil Letzterer Ersterem die ÖBB verkaufen will.

Eigentlich müsste die Diskussion genau umgekehrt verlaufen: Den Kopf schütteln und lustig machen sollte man sich über die ÖIAG, die Privatisierung der ÖBB sollte man dagegen ernsthaft diskutieren. Mag schon sein, dass der ÖVP-Chef seinen Vorschlag selbst nicht ganz ernst gemeint hat. Dass Stronach darauf eingestiegen ist, ist für die Volkspartei ein einmaliges politisches Geschenk: Sie kann die Debatte über das Milliardenloch ÖBB weiter genüsslich inszenieren, Spindelegger kann sich fototauglich mit Stronach treffen und Ideen wälzen, wie man die Eisenbahn sanieren könnte, während der SPÖ die unangenehme Aufgabe zufällt, der Bevölkerung zu erklären, warum sie ein hoch defizitäres Unternehmen nicht verkaufen will.

Das Thema ist der Traum jedes Politikstrategen: Hier die großen Privatisierer (ÖVP), die dem Bürger gern Milliarden ersparen wollen. Dort die großen Verhinderer (SPÖ), die weiterhin alles staatlich regeln wollen, obwohl man ja sieht, wohin das führt (in hohe Schulden). Und mit Frank Stronach hat die ÖVP den Joker gezogen: Entweder kann sie ihn politisch ohrfeigen, weil er die ÖBB dann doch nicht ohne Milliardenförderungen übernehmen will (anders könnte sich auch der Milliardär die Bahn nicht leisten). Oder aber Stronach schießt sich ebenfalls auf die SPÖ ein, weil er die Eisenbahn ja gern gekauft hätte, aber die SPÖ nicht verkaufen wollte.

Die aktuelle, teils ins Lächerliche gehende ÖBB-Diskussion mag ein Wahlgeplänkel sein. Die Politik hat aber die Chance, aus diesem Geplänkel eine ernsthafte Debatte zu machen. Die Bahn ist keine heilige Kuh und das Ansinnen, sie zu verkaufen, nicht ein Anschlag auf die Gesundheit der Österreicher (wie der ÖBB-Betriebsratschef meinte, der irritierenderweise erklärte, die Eisenbahn bringe Menschen ins Krankenhaus).

Die Bundesbahnen kosten uns jedes Jahr Milliarden – 2,4 rechnet das Verkehrsministerium vor, das Finanzministerium kommt auf vier, die ÖVP auf sieben Milliarden. Sparte man hier nur zehn Prozent ein, könnte man im billigsten Fall die jährlichen Förderungen für die Universitäten auf fast 500 Mio. Euro beinahe verdoppeln (was dringend notwendig wäre) oder im teuersten die Kapitalertragsteuer auf weniger als zehn Prozent senken und damit den Österreichern mehr Geld zum Ausgeben lassen (und so auch der Wirtschaft helfen).

Gegner einer Privatisierung bringen als vermeintliches Totschlagargument sofort das Beispiel Großbritannien, wo die Privatisierung der Infrastruktur in den 1990er-Jahren zu Unfällen geführt hat. Tatsächlich sollten wir den Briten dankbar sein, dass sie das Experiment gewagt haben, weil es gezeigt hat, dass ein börsenotiertes und auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Unternehmen nicht als Betreiber der Infrastruktur taugt. Die Erhaltung der Gleise und der Ausbau werden also entweder nur mit staatlicher Beteiligung funktionieren oder mit strengen Investitionsauflagen.

Großbritannien, und das verschweigen die Gegner gern, hat auf der anderen Seite aber gezeigt, dass ein privatisiertes Transportunternehmen durchaus positive Effekte hat: Heute werden mehr Menschen zu deutlich niedrigeren Preisen transportiert.


Stimmt schon, dass keine Eisenbahn dieser Welt ohne Subventionen auskommt. Die Frage ist nur, wie viel Subventionen sie braucht: In der Schweiz machen sie etwa ein Viertel des Umsatzes aus, in Deutschland weniger als 20 Prozent, in Österreich aber um die 40 Prozent. Wenn einer meint, er könne die ÖBB billiger führen und dennoch den politischen Versorgungsauftrag erfüllen, dann verkaufen wir sie ihm doch – auch wenn der Mann für seine skurrilen Ideen bekannt ist.

Ach ja, die ÖIAG. Warum das zum Kopfschütteln ist? Diese Zeitung hat es bereits erklärt: Ein hoch bezahlter Vorstand und 15 Aufsichtsräte, um de facto nur noch bei der Post mitzureden. Also das ist wirklich lächerlich.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2012)

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