Prüller-Jagenteufel: Schönborns Reformerin

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel nimmt eine Schlüsselposition bei den anstehenden Kirchenreformen ein. Bis 2022 sollen die 660 Pfarren neu strukturiert werden. Mit ihr zu Besuch an der Basis.

„Gott sei Dank“, sagt Johannes Neubauer und verweist mit einer ausladenden Handbewegung auf die symmetrisch angeordneten Holzbänke hinter ihm, „Gott sei Dank ist die Kirche am Sonntag immer voll.“ Ungewöhnlich klingt das, was der Pfarrer sagt. Volle Kirchen – manch anderer Geistlicher dürfte vergessen haben, wie sich das anfühlt.
An diesem ruhigen Nachmittag allerdings ist die Apostelpfarre, in der Neubauer vom Orden der Salvatorianer wirkt, menschenleer. Fast leer, denn neben ihm steht Veronika Prüller-Jagenteufel und pflichtet seinen Ausführungen mit einem leichten Nicken bei. Als Pastoralamtsleiterin der Erzdiözese Wien hört Prüller-Jagenteufel viel zu. Und genau in dieser Position – die Bischöfe weltweit selten Laien und noch seltener Frauen zutrauen – wird sie auch in den nächsten Monaten viel zu tun haben: Erst am Mittwochabend hat Kardinal Christoph Schönborn eine Radikalreform für die Kirche Wiens angekündigt.

Bis 2022 sollen die 660 Pfarren neu strukturiert, also zusammengelegt werden. Die Reformen werden auch Johannes Neubauer treffen, das weiß er. Seine Apostelpfarre befindet sich in einer nüchtern-grauen Asphaltlandschaft nahe der viel befahrenen Laxenburger Straße in Wien-Favoriten. Der redselige Priester wirkt hier seit 30 Jahren – und nur, weil sich die Bänke sonntäglich gut füllen, heißt das nicht, dass ihm nicht auch die Schäfchen davongelaufen sind. Der zehnte Gemeindebezirk ist bevölkerungsreich, aber katholikenarm. Nur rund ein Drittel der Favoritner ist Mitglied der Kirche. Daher wurde in diesem Bezirk auch das Pilotprojekt für die Reform „Apostel 2.1“ angesiedelt: 15 Pfarren gibt es hier, einige werden wohl zusammengelegt. Ende des Jahres liegt der Endbericht vor, er soll als Vorbild für die groß angelegte Reform dienen.

Priester bleibt Priester. „Natürlich ist es schmerzlich zu sehen, wie viele Menschen sich von der Kirche abwenden“, sagt Prüller-Jagenteufel in ruhigem Ton. Die Kirche sei aber nicht nur dort zu suchen, wo ein Pfarrer ist – sondern auch dort, wo Gläubige zusammenkommen. Mit dieser Einstellung werde sie sich den Reformen widmen, und diese Einstellung heißt auch, dass den Laien mehr Aufgaben und Kompetenzen übertragen werden. Dabei will die Pastoralamtsleiterin zwei Bereiche getrennt wissen: mehr Gestaltungsmöglichkeiten für Laien, aber die priesterlichen Aufgaben bleiben den Priestern vorbehalten.
Es ist diese weltkirchlich zu behandelnde Frage, die in in Österreich immer wieder für ein religiöses Erdbeben sorgt: Die Pfarrerinitiative rund um Helmut Schüller (und nicht nur sie) fordert die Priesterweihe für verheiratete Männer (und Frauen) – und fordert damit Rom heraus. Auch gegen die Reformpläne Schönborns hat Schüller Widerstand angekündigt. Damit ziehe sich die Kirche zurück, anstatt vor Ort stark zu werden. Daran glaubt Prüller-Jagenteufel jedoch nicht. Der verstärkte Einsatz von Laien könne einer Entfernung von der Kirche entgegenwirken. Zudem werde es nach der Reform nicht weniger Priester, und damit auch nicht weniger Eucharistiefeiern geben, wie von Kritikern befürchtet.

Im Garten der Apostelpfarre spazieren ein paar Kleinkinder auf noch wackeligen Beinen über den Rasen. Rund 90 Kinder werden hier betreut, an Bedürftige wird Essen ausgegeben, in den unteren Stockwerken des Gebäudes sind Flüchtlinge untergebracht, armenische Christen. Energisch führt der Pfarrer durch die Räume. Inwieweit die Reformen die in seiner Pfarre bestehenden Strukturen ändern wird, kann Neubauer noch nicht sagen. Nur so viel: Er wisse, dass eine Reform notwendig sei. Die Diözese habe eine enge Zusammenarbeit mit den Orden angekündigt. Ein notwendiger Schritt: Fast die Hälfte aller Pfarrer in der Wiener Diözese gehört einem Orden an.
Diese sollen sich im Reformprozess auf ihre ursprünglichen Stärken besinnen, sagt Prüller-Jagenteufel. Bei den einen ist es die Arbeit im sozialen Bereich, bei den anderen die Spiritualität. Und: Im Gegensatz zu den Diözesen habe innerhalb der Orden viel früher eine selbstkritische Reflexion eingesetzt: „Von ihnen können wir noch lernen.“ Neubauer kann zustimmen. Der mangelnde Nachwuchs habe die Orden dazu bewogen, sich die Frage zu stellen: „Wie kann es weitergehen?“

Die selbstkritische Auseinandersetzung sei weiteres Ziel der Reformen, sagt die Pastoralamtsleiterin. Nicht zuletzt die Missbrauchsfälle hätten gezeigt, dass eine transparente, moderne und zeitgemäße Kirche entstehen müsse. Neubauer ist derselben Meinung. Und er geht sogar noch weiter. Es müsse Laien auch möglich sein, Sakramente zu spenden. Zu sehen, dass ein Priester, der weder bei den Vorbereitungen war, noch die Gemeinde gut kenne, dafür „eingeflogen“ werde, sei für ihn ein „Stachel im Fleisch.“ Und selbst Priesterinnen kann er sich vorstellen. Das wiederum dürfte ein „Stachel im Fleisch“ der Kirchenleitung sein. ?

Die Presse, Print-Ausgabe, 23.09.2012

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