Aus Alt mach Neu: Metallrecycling als Zukunftschance für Österreich

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Austria'12(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Brüder Helmut und Jürgen Antrekowitsch entwickeln an der Montan-Uni Leoben Verfahren zur Wiedergewinnung wertvoller Materialien – zum Nutzen der heimischen Wirtschaft.

Die Begeisterung für ihr Forschungsgebiet ist dem Brüderpaar Helmut und Jürgen Antrekowitsch, die zu Österreichern des Jahres in der Kategorie Forschung gekürt wurden, stets anzusehen: Sie beschäftigen sich an der Montanuniversität Leoben mit dem Recycling von Nichteisenmetallen – einer Gruppe von chemischen Elementen, ohne die unser Leben nicht mehr denkbar ist.
Ein Handy zum Beispiel enthält mehr als 35 verschiedene Metalle, Ähnliches gilt für moderne Autos und viele andere Gegenstände des täglichen Lebens. Ausrangierte Handys etc. sind daher auch ein riesiges Reservoir an Rohstoffen, Gleiches gilt für Reststoffe aus der Metallindustrie. Genutzt wird deren hoher Metallgehalt derzeit nur vereinzelt – der Großteil geht auf Deponien, vielfach ins Ausland, etwa Kanada oder China, wo dafür bereits riesige Recyclinganlagen errichtet werden.

Paarlauf zweier Brüder


„Wir produzieren unsere Lagerstätten der Zukunft, es fehlen aber noch Technologien, mit denen wir sie nutzen können“, sagt Helmut Antrekowitsch, Professor für Nichteisenmetallurgie. Jürgen, der um sieben Jahre jüngere Bruder und Leiter eines Christian-Doppler-Labors, ergänzt: „Wir suchen nach Technologien, bei denen wir möglichst in einem Schritt mehrere Metalle zurückgewinnen können.“ Helmut befasst sich vorwiegend mit Aluminium und sogenannten „Technologiemetallen“, Jürgen mit Zink, Kupfer, Blei und Edelmetallen. Bei all diesen Materialien ist Österreich extrem abhängig von Importen, die starke heimische Industrie ist daher den Restriktionen und Turbulenzen auf dem Weltmarkt voll ausgesetzt.
Der Paarlauf des Brüderpaares, deren Biografien zwar im Detail unterschiedlich verlaufen sind, aber letztlich zum selben Arbeitsgebiet in derselben Organisation geführt haben, ist in der Wissenschaftswelt äußerst ungewöhnlich. Doch irgendwie haben sich die beiden gebürtigen Leobener gegenseitig mit der Begeisterung für Metalle angesteckt. Und sie tragen diese Faszination weiter – so sind sie auch nicht ganz „unschuldig“ daran, dass die Montan-Uni kürzlich in einem weltweiten Ranking der Materialforschung auf Platz sieben gelandet ist. Apropos: Das Vorurteil, dass die Uni Leoben eine reine Männergesellschaft sei, ist falsch: „Unser Frauenanteil von 28 Prozent ist der höchste unter allen technischen Universitäten Österreichs“, sagt Rektor Wilfried Eichlseder stolz. Die Studentenzahlen der kleinen aber feinen Universität sind in den letzten Jahren stark gestiegen – derzeit gibt es rund 280 Metallurgie-Studenten. Dennoch seien es noch viel zu wenig. „Die Jugendlichen entfernen sich immer mehr von der Technik“, beklagt Helmut Antrekowitsch. Denn: „Techniker sind für Österreich wesentlich.“ Ohne Techniker gebe es keine Produktion in Österreich, und eine florierende Produktion sei die Grundlage für unseren Wohlstand.
Eine Ansicht, die Henrietta Egerth und Klaus Pseiner, die Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), bei der Überreichung der Trophäe bekräftigten. „Unsere Technologieführerschaft in vielen Bereichen bringt unsere Wirtschaft voran und macht Österreich besser“, sagte Egerth. „Vorne mit dabei zu sein ist wichtig, denn dadurch können wir die Weichen für die Zukunft selbst stellen“, so Pseiner. Und: „Unternehmen, die auf Forschung und Technologie setzen, überstehen Krisen leichter, liegen besser auf dem Markt und schaffen zukunftssichere Arbeitsplätze.“

Grundlagenforschung und Anwendung


Die Arbeit der beiden Brüder ist ein gutes Beispiel dafür, dass Grundlagenforschung und angewandte Forschung kein Widerspruch sind, sondern einander befruchten. Ein Beispiel: Im Labor von Jürgen Antrekowitsch wurde vor einigen Jahren im Gramm-Maßstab begonnen, Biomasse statt Koks im Hochofen zu verwenden – die einzige Möglichkeit, die CO2-Emissionen eines Stahlwerks stark zu senken. Nun werden bereits industrielle Versuche im Tonnen-Maßstab durchgeführt.
Leicht wird dieser Dienst an der heimischen Wirtschaft den Forschern aber nicht immer gemacht – wie man etwa an den Uni-Budgets sehe, kritisieren beide. „Forschung und Bildung kommen oft in Sonntagsreden vor, aber sie haben in Österreich nicht den Stellenwert, den sie verdienen.“

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