„Ein Museum muss weitersammeln“: Der Direktor auf dem Karlsplatz

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Wolfgang Kos sieht seine Wahl als „Rückenwind für die nächste Etappe des Wien-Museums“. Und er freut sich, dass dieses endlich ein ausreichend großes Depot bekommt.

Wolfgang Kos sei „der Beweis dafür, dass man nach dem Journalismus noch eine große Karriere machen kann“, sagte „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak in seiner Gratulation. Tatsächlich: Kos ist (fast) einer ganzen Generation als Radiojournalist bekannt, aus der „Musicbox“ etwa, aus dem legendären „Popmuseum“ oder von den feinsinnigen Städteporträts in „Diagonal“; und es passiert ihm heute noch, dass ihm ein „wir“ herausrutscht, wenn er von Ö1 spricht.
Aber von der „Presse“ geehrt wurde er als Direktor des Wien-Museums, das er seit zehn Jahren führt: Er hat aus einem soliden, aber leicht verstaubten historischen Museum ein genauso solides, aber höchst spannendes Stadtmuseum gemacht, mit „Talk of the Town“-Ausstellungen über „Madness and Modernity“ und die „Entdeckung des Elends“ in den Großstädten, über Makart und Qualtinger, Schaufenster und Kinderwagen, über die Werkbundsiedlung und „Orte des Fußballs“, über den „Kampf um die Stadt“ in der Ersten Republik und die wilden Fünfzigerjahre.

Der Direktor auf dem „Putzbrett“


Er schätze Museen, „die vom Leben der Menschen erzählen, die auch gesellschaftspolitische Fragen stellen“, sagte Kos in seiner Dankesrede. Im Film, mit dem er bei der Gala dem Publikum vorgestellt wurde, illustrierte er diesen Anspruch mit Körpereinsatz, indem er auf einem gar nicht prunkvollen Stück der Museumssammlung kniete: einem „Stück Erinnerung ans schwere Leben“, einem „Putzbrett“, wie es Frauen in der gar nicht nur guten alten Zeit verwendeten, um beim Bodenwaschen nicht in der ätzenden Lauge knien zu müssen.
Keine Frage, dieser Direktor kennt „seine“ Sammlung gut, weiß, was hinter den Kulissen der Ausstellungen passiert. Er weiß auch: „Ein Museum, das nicht weitersammelt, gibt seinen zentralen Anspruch auf.“ Und er freut sich, dass die Sammlung ab 2013 endlich aus dem „Zentraldepot“ im 15. Bezirk (wo Objekte vom Autodromwagerl über Reste von Stadtmauern bis zu zehntausenden Gemälden auf engem Raum lagern) und etlichen verstreuten Lagern in ein geräumiges Depot in Himberg übersiedelt wird. Bei der Vorbereitung für dieses logistisch anspruchsvolle Unternehmen lernt man auch, dass etliche Tierchen sich in den Objekten angesiedelt haben, diverse Mikroorganismen natürlich auch. „Die Todfeinde des Museumsguts sind Holzwürmer und Schimmel“, sagt Kos. So hörte er mit besonderem Interesse zu, als bei der Vorstellung der Kandidaten der Kategorie Forschung von schwarzer Hefe die Rede war . . .
Darüber wurde beim „Presse“-Diner gesprochen, aber auch über die Musikvorlieben von Kos' elfjährigem Sohn (derzeit Afrikanisches), über die rätselhafte Triple-Helix in der Austria-Trophäe, über Nackte und Nacht in der Kunst und selbstverständlich über die Zukunft des Wien-Museums. Das ja unter chronischer Platznot leidet, sodass seit Jahren von einem möglichen Neubau die Rede ist; eine Übersiedlung auf den Morzinplatz, zum Südbahnhof oder gar auf die Donauplatte wurde debattiert.

Man könnte das Museum aufstocken


Doch es wird immer klarer, dass die vernünftigste Variante ein Verbleib auf dem Karlsplatz ist, diesem weiten, wilden Platz, dem das Wien-Museum 2008 eine viel beachtete Ausstellung gewidmet hat. Man könnte an das 1959 eröffnete Museumsgebäude anbauen, man könnte ein zweites Gebäude errichten (mit gehöriger Rücksicht auf den Blick auf die Karlskirche natürlich), man könnte unterirdisch erweitern, man könnte das Museum auch aufstocken, das wäre kein Sünde wider den Denkmalschutz, sondern sogar im Sinn des Weltkulturerbes, meinte Kos. Und er träumte (unisono mit dem Vertreter der „Presse“ am Tisch) über eine Brücke über die sechsspurige Bundesstraße (die der Karlsplatz ja auch ist) hinüber bis zum Künstlerhaus, als sichtbares Zeichen im Stadtbild.
Keine Bitternis war den beiden nicht siegreichen Finalisten der Kategorie Kulturmanagement anzusehen: Alexandra Grausam vom vazierenden Kunstverein „Das weiße Haus“ und Thomas Birkmeir vom Theater der Jugend. Die Feuilleton- bzw. Kulturredaktion dieses Blattes durfte sich indessen über das fein nuancierte Lob freuen, das Kos bei der Dankesrede für sie fand: Sie sei „ziemlich gut“. Danke schön.

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