"Die Hinichen“: Von der dunklen Seite des Humors

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Die Wiener Band „Die Hinichen“ singt über das Frauenverdreschen und nennt es Satire, australische Reporter stellen eine Krankenschwester bloß und nennen es Spaß. Humor befreit eben nicht immer.

Ist das lustig? „Wir mischen auf im Frauenhaus, wir peitschen die Emanzen aus, wir treiben die Lesben vor uns her, das fällt uns Kerl's gar net schwer.“ So singen „Die „Hinichen“, ein Prolo-Rock-Kabarett (Eigendefinition), das es jüngst in die Medien schaffte, weil die Wiener Grünen einen Auftritt der Band im Wiener Gasometer unterbanden. Offen frauenverachtende Zeilen sind das – die allerdings ganz anders zu verstehen seien: Die Texte der „Hinichen“ seien Satire, darauf beharrt die Band.

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Wenn es Satire ist, so der erste Impuls, dann ist es ja gut. Wir haben verinnerlicht, dass Satire, dass auch der Humor stets auf Kosten der Mächtigen geht: Wir denken an den Hofnarren, wir denken an Literaten wie Jonathan Swift, deren Waffen der Witz sind und die Schlagfertigkeit. Humor stellt infrage, was andere als gegeben hinnehmen, er übt Kritik, wo es andere nicht wagen (dürfen). Humor – so verstanden – eröffnet neue Räume des Denkens, gibt Anstöße, macht Mut. Für die Romantiker war der Humor eine Haltung: Das Lächerliche und Unvollkommene sollte als berechtigt und notwendig akzeptiert werden, das Ziel war eine Art Freude über die Vielfältigkeit des Daseins.

Auch Freud fand im Humor vor allem Positives: Er verschaffe dem Einzelnen unmittelbar Erleichterung, indem er ihn von auferlegten Normen befreie und es ihm erlaube, sich von sich selbst zu distanzieren. Freud erzählt in seinem Aufsatz „Über den Humor“ (1927) von einem Delinquenten, der am Montag zum Galgen geführt wird und sagt: „Die Woche fängt gut an!“ Wer Humor hat, tritt aus sich selbst heraus. Er nimmt das Leichte schwer, sieht das Erhabene im Lächerlichen und das Lächerliche im Erhabenen.

In dieser Interpretation sind Scherz, Satire, Ironie das Werkzeug der Schwächeren. Aber es gibt eine andere Seite. Schon Aristoteles und Plato sahen das Lachen – ganz im Gegenteil – auf Seiten der Sieger. Henri Bergson, der französische Philosoph und Nobelpreisträger für Literatur (1859–1941) hat darüber eine Abhandlung geschrieben: Für ihn befreit Humor nicht, sondern schränkt ein. In seiner Interpretation hilft der Humor, auf Kosten von anderen die Normen einer Gruppe zu etablieren. Man lacht über andere, die aus Unvermögen oder absichtlich gegen die gemeinsam vertretenen Prinzipien verstoßen. Das Lachen drängt hier zur Anpassung, es soll – wie der Spott und die Schadenfreude – Scham erzeugen. „Das Komische entsteht, scheint es, wenn eine Anzahl als Gruppe zusammengehöriger Menschen alle ihre Aufmerksamkeit auf einen lenken, ihr Gefühl beiseite schieben und lediglich den Intellekt spielen lassen“, schrieb Bergson. Lachen sei ein „Erziehungsmittel“. Die Gesellschaft räche sich damit für die Freiheiten, die der Einzelne sich herausgenommen hat.

Zwar hat auch diese Art des Humors einen positiven Effekt – er stärkt die Gruppe, er stabilisiert damit den Einzelnen, weil er sich zugehörig fühlt. Doch sein Mittel ist die Degradierung, das Ziel ist nicht die Erweiterung der Möglichkeiten, sondern eine Beschränkung.

Sämtliche Shows, die in Abwandlung von „Verstehen Sie Spaß?“ Menschen hinters Licht führen, funktionieren nach diesem Prinzip. Meistens sind die Folgen solcher Scherze harmlos, aber nicht immer: Jene Krankenschwester, die auf ein australisches Moderatorenduo hereinfiel und die angebliche „Queen“ weiterverband, wurde tot aufgefunden. Vielleicht ist es ein zufälliges Zusammentreffen, doch am Mittwoch wurde im Publikumsrat des ORF die Show „Hast du Nerven?“ mit Mirjam Weichselbraun kritisiert, weil die „Späße“ auf Kosten der Fans statt auf Kosten der Prominenten gingen.

Nicht immer ist freilich so deutlich zu sagen, mit welcher Art von Humor man es zu tun hat: Schon Harald Schmidt begeisterte mit Polen- und Blondinenwitzen das moralisch ge- und überforderte Bildungsbürgertum. Man lachte – über die eigene politische Korrektheit. Immerhin stimmten das Publikum und Harald Schmidt im Wesentlichen darin überein, dass man Blondinen nicht wirklich für minderbemittelt und Polen nicht tatsächlich für die geborenen Diebe hielt. Die „Hinichen“ heften sich zwar die Satire auf die Fahne, sie geben vor, ihrem Publikum in Zeiten der moralischen Überregulierung Freiräume zu verschaffen – doch ihr Humor beruht auf Ausgrenzung. Das ist der Humor der „Sieger“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2012)

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