Wie Silvio Berlusconi mit seinen Verwirrspielen ganz Italien verunsichert

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Der ehemalige italienische Premier Silvio Berlusconi relativiert seine Kandidatur um das Amt des Regierungschefs und kann sich auf einmal doch seine Unterstützung für Mario Monti vorstellen.

Rom. Nur Silvio Berlusconi kann Italien retten. Zumindest ist er selbst davon überzeugt. Und trotz seiner 76 Jahre schlägt der frühere Premierminister beinahe jeden Tag neue Purzelbäume, was seine Kandidatur bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Februar betrifft: „Wollen Sie die Antwort vom Nachmittag oder die vom Abend, die von gestern oder die von heute?“, fragt Silvio Berlusconi jenen Fernsehmoderator, der von ihm klare Sätze zu seiner politischer Zukunft hören will.

Und dann lässt er – über eineinhalb Stunden ging das im Fernsehen so – einen Wortschwall folgen, der Freund und Feind aufs Neue verwirrt. Während Oppositionspolitiker meinen, „Berlusconi befinde sich im Zustand geistiger Verwirrung“, raten andere zur Wachsamkeit: Er verteile nach ausgeklügeltem System nur seine üblichen Nebelgranaten.

Hier nun also folgt die Antwort, die Berlusconi Mittwochabend gegeben hatte: Aber auch sie mag schon bald überholt sein, weil es zur Methode Berlusconis gehört, aufregende Sätze loszulassen und sie spätestens nach zehn Minuten zu dementieren.

Folgendes also hat Berlusconi öffentlich gesagt: Er könne sich vorstellen, auf seine eigene Bewerbung um das Amt des Regierungschefs zu verzichten, falls der noch amtierende Premier Mario Monti an seiner Stelle die „gemäßigten Kräfte einen“ und deren Spitzenkandidat würde.

Mahnung der Europäischen Volkspartei

Das Publikum rieb sich verwundert die Augen. Hatte nicht Berlusconi erst fünf Tage zuvor seine Fraktion angewiesen, der Expertenregierung Monti das Vertrauen zu entziehen? Hatte nicht Angelino Alfano, Parteisekretär von Berlusconis Partei „Volk der Freiheit“, im Abgeordnetenhaus getobt: „Unter Monti ist alles schlimmer geworden in Italien, die Arbeitslosigkeit gestiegen, die Verschuldung angewachsen“? Hatte Alfano nicht gesagt: „Das Experiment Monti ist beendet“? Und hatten nicht alle Berlusconi-Getreuen rauschend applaudiert?

Vieles ist seither passiert: Halb Europa hat gegen eine erneute Kandidatur Berlusconis protestiert, Deutschland voran. Die Europäische Volkspartei (EVP) als Zusammenschluss konservativer Kräfte will keinen Populismus in ihren Reihen dulden, wie sie in einer Aussendung deutlich betonte. Wen sie damit meinte, war unmissverständlich, da der Text ausdrücklich auch auf Italienisch verfasst wurde. Berlusconi war gestern beim EVP-Treffen in Brüssel. Im eigenen Land hat die rechtspopulistische Lega Nord, der frühere, allzeit getreue Koalitionspartner, ausdrücklich gesagt: „Wir unterstützen Berlusconis Partei, aber nur dann, wenn Silvio Berlusconi nicht Spitzenkandidat wird.“

Und beim genauen Hinsehen war auch in Berlusconis eigener Partei nur die eine Hälfte beglückt: Die „Montianer“ um den früheren Außenminister Franco Frattini rüsteten bereits zur Gegendemonstration. Und zum Auszug aus dem „Volk der Freiheit“.

Berlusconi hat, meint Massimo Franco, der angesehene Kommentator der bürgerlichen Tageszeitung „Corriere della Sera“, bei seinem erneuten Galopp in Richtung Regierungsspitze die Folgen nicht genügend bedacht: „Jetzt sucht er verwirrt nach einer Möglichkeit, da wieder rauszukommen.“

„Figur auf seinem privaten Schachbrett“

Aber mit einer Idee, die in Rom viele als grotesk und absurd empfinden? Ex-EU-Kommissar Mario Monti soll ein Lager führen, das – nach Berlusconis Taktik des stimmenmaximierenden Zusammenraffens – von Christdemokraten über Liberale bis zu den Rechtsextremen alles umfasst, was nicht links sein will? Der Europäer Monti soll seine erbittertsten Gegner, die europafeindliche Lega Nord, in seine Koalition aufnehmen – und diese ihn? Jener Teil von Berlusconis „Volk der Freiheit“, der den Bruch mit Monti betrieben hat, soll für diesen von morgen an Wahlkampf machen? Und wer würde die Kandidatenlisten schreiben: Berlusconi selbst? Chef der „Gemäßigten-Versammlung“ will er ja bleiben.

„Berlusconi sieht in Monti nur eine Figur auf seinem privaten Schachbrett“, sagt der rechte Politiker Gianfranco Fini, der als früherer Bundesgenosse des Medienmagnaten weiß, wie sich so etwas anfühlt.

Berlusconi ist die Aufmerksamkeit gewiss

Nur glaubt in Rom kein Mensch, „der Unersetzliche“ habe im Ernst daran gedacht, dass Monti sich auf seine Anfrage einlassen würde. Und so rätseln alle, wie wohl Berlusconis nächster Purzelbaum aussieht. Die Aufmerksamkeit jedenfalls ist ihm gewiss. Vielleicht reicht ihm das ja auch schon.

Auf einen Blick

Silvio Berlusconi hat seine Ankündigung einer erneuten Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten relativiert. Sollte der noch amtierende Premier einer Expertenregierung, Mario Monti, bei den kommenden Wahlen als Chef einer breiten Mitte-rechts-Koalition antreten, werde er „einen Schritt zurücktreten“, sagte Berlusconi. Dann werde er sich um seine Partei kümmern. Berlusconi hatte seine Kandidatur erst vor knapp einer Woche bekannt gegeben und der Regierung Monti das Vertrauen entzogen. Monti hat deshalb am Samstag seinen Rücktritt angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2012)

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