Die Bibel, viel Volk und der Chef des Höchstgerichts – schon ist der US-Präsident inauguriert. So viele Umstände müssen aber gar nicht sein, wie die Geschichte immer wieder zeigt.
Bei Inaugurationen geht Barack Obama letzten Endes doch gewissenhaft vor. Als sich am 20.Jänner 2009 der Oberste Richter John G. Roberts einen Schnitzer leistete – in der Eidesformel verrutschte ihm das Wort „faithfully“ („hoch und heilig“) –, versprach sich zögernd auch der neue US-Präsident beim Zitieren von Artikel2, Abschnitt1, Klausel Nummer8 der Verfassung. Da solch ein verbales Missgeschick einer echten Weihe nicht würdig wäre, wurde die Vereidigung tags darauf im Map Room des Weißen Hauses wiederholt, dort allerdings ohne Bibel. Am Vortag hatte Obama noch die rechte Hand gehoben, die linke auf jenes samtbezogene Buch der Bücher gelegt, auf das auch schon Abraham Lincoln geschworen hatte, im Jahre 1861.
2013 legte Obama erneut zweimal den Amtseid ab. Weil die Inauguration nach alter Tradition am 20.Jänner erfolgen soll, weil das aber heuer ein – nicht nur Puritanern heiliger – Sonntag ist, wurde zuerst nur im privaten Rahmen geschworen, damit keine Lücke in der Präsidentschaft entsteht. Obama legte am 20.Jänner also die Linke auf eine Heilige Schrift aus dem Familienbesitz seiner Frau Michelle. Am 21.Jänner, bei der offiziellen Inauguration, waren dann sogar zwei Bibeln vorgesehen.
Das ist nicht neu, auch Eisenhower, Truman und Nixon hatten im vorigen Jahrhundert zwei Bibeln bei der Zeremonie parat. Obama nahm die bewährte von Lincoln und zudem die des afroamerikanischen Bürgerrechtskämpfers Martin Luther King. Der ist für seine Überzeugung ermordet worden, so wie zuvor Lincoln, der die Sklaverei abgeschafft hat.
Die Präsidentschaft Obamas ist also mit drei Bibeln und vier Eiden abgesichert. Lyndon B. Johnson war das 1963 nicht gegönnt. Der Vizepräsident wurde, nachdem John F. Kennedy in Dallas ermordet worden war, noch im Flugzeug auf dem Weg zurück nach Washington als Nachfolger vereidigt. Da aber keine Bibel zu finden war, nahmen Johnson und Sarah T. Hughes, eine lokale Richterin, kurzerhand ein katholisches Messbuch.
Es müssen auch laut Verfassung gar keine Bibel und kein Höchstrichter bei der Vereidigung dabei sein. Der Unitarier John Quincy Adams schwor 1825 auf ein Gesetzbuch, Theodore Roosevelt verzichtete 1901 ebenfalls auf die Bibel. George Washington soll die seine, die ihm eine Freimaurer-Loge lieh, 1789 sogar geküsst haben, nachdem ihm Robert Livingston in New York den Eid abgenommen hatte – der war kein Höchstrichter. Auch Präsident Coolidge verzichtete auf solch eine hohe Amtsperson und ließ sich 1923 vom Vater einschwören, einem Friedensrichter und Notar.
Washingtons Bibel, 1765 in London gedruckt, blieb bei Einweihungen beliebt: Harding, Eisenhower, Carter und Bush senior schworen auf sie. Hat es was geholfen? Harding starb 1923 in der ersten Amtszeit. Von den vier Genannten wurde nur Eisenhower als Präsident wiedergewählt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2013)