DestinE: Eine Mission für Supercomputer

  • Drucken

Destination Earth, der derzeit geplante digitale Zwilling der Erde, wird einen Petabyte Daten liefern – pro Tag. Wie wird diese digitale Großprojekt technisch umgesetzt?

Destination Earth, kurz DestinE, hebt das Konzept des digitalen Zwillings auf eine komplett neue Ebene: die Erde . Wie kann dieses digitale Großprojekt technisch umgesetzt werden? Um die hochkomplexen Simulationen des Erdsystems durchführen zu können, kommt insbesondere den EuroHPC-Hochleistungsrechnern eine Schlüsselrolle zu. „Wir schätzen, dass die digitalen Zwillinge von DestinE letztlich 352 Milliarden Informationspunkte und einen Petabyte Daten pro Tag liefern werden. Zum Vergleich: Das derzeitige Modell des ECMWF erzeugt neun Milliarden Punkte und 0,1 Petabyte pro Tag“, erläutert Nils Wedi, Leiter der digitalen Technologie für DestinE beim ECMWF. Um die Aufgabe zu bewältigen, wurde eine Vereinbarung mit dem EuroHPC Joint Undertaking getroffen, die den Zugang zu einigen der größten Pre-Exascale-Systemen in Europa (Exa steht für 10 hoch 18 und somit eine Trillion Berechnungen pro Sekunde) ermöglicht hat. Zwei von ihnen, LUMI und Leonardo, wurden Ende 2022 auf einer Supercomputer-Konferenz in Dallas, USA, auf Platz drei und vier der Top-500-Liste der rechenschnellsten und leistungsstärksten Computersysteme der Welt gesetzt.

Bis 2024 wird erwartet, dass DestinE auf einigen High-End-Supercomputern mit einer Leistung von bis zu einem Exaflop pro Sekunde betrieben wird. Laut Wedi müssen in diesem Zusammenhang „Arbeitsabläufe entwickelt werden, die belastbar sind und reproduzierbare Ergebnisse liefern“ – auf Maschinen, die in der Zukunft entstehen werden, wie zum Beispiel auf dem Exascale-Computer in Jülich, Deutschland: „Das ist einer der spannenden Orte, an denen diese Arbeitsabläufe in Zukunft funktionieren könnten“, so Wedi, der bei der SC-Konferenz in Dallas auch auf die bestehenden Lücken im globalen Klimabeobachtungssystem, insbesondere in den Entwicklungsländern, verwies: „Rund ein Drittel der Welt, darunter sechzig Prozent Afrikas, hat keinen Zugang zu Frühwarn- und Klimainformationsdiensten.“ Das Problem könnte gelöst werden, indem die grob ungleiche Verteilung von Computerressourcen auf der nördlichen und der südlichen Hemisphäre ausgeglichen wird, wie dies auch kürzlich von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) angeregt wurde. Ein System wie DestinE kann dazu beitragen, wenn die notwendigen Investitionen zunächst in den Entwicklungsländern getätigt werden, die häufig an vorderster Front von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.

Nachhaltige Entwicklungsziele

Von entscheidender Bedeutung ist gemäß Wedi auch das Thema der Datenkomprimierung und -reduzierung: „Wir erstellen dafür gerade einen Plan für das Datenmanagement. Man muss verstehen: Das eine Petabyte umfasst alle Informationen, die wir produzieren – und es befindet sich nur auf den Supercomputern. Die darauf aufbauenden verschiedenen Anwendungen werden nicht alle dieses Volumen benötigen, jede braucht bloß ihren eigenen Anteil davon. Wir müssen die Daten also parallelisieren“, sagt Wedi.

»„Destination Earth wird unser Verständnis des Klimawandels verbessern und Lösungen auf globaler, regionaler und lokaler Ebene ermöglichen. Bei dieser Initiative wird eindeutig klar, dass wir den Klimawandel nicht ohne digitale Technologien bekämpfen können“«

sagt Margrethe Vestager

Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission im Ressort „Ein Europa für das digitale Zeitalter.“

Als Teil des Green Deal soll DestinE dazu beitragen, die Ziele des doppelten Übergangs, grün und digital, zu erreichen – und ist dabei nur ein Baustein eines denkbar breit angelegten weltweiten Kooperationsprojekts, das unter dem Titel Coalition for Digital Environmental Sustainability (CODES) im März 2021 in die Wege geleitet wurde.

Ziel der internationalen Multi-Stakeholder-Allianz ist es, die digitale Nachhaltigkeit voranzutreiben, da Digitalisierung für die Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) bis 2030 als entscheidend angesehen wird. Laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums und des Wirtschaftsprüfers PwC („Unlocking Technology for the Global Goals“, 2020) könnten zwei Drittel der 169 Ziele, die den globalen nachhaltigen Entwicklungszielen zugrunde liegen, durch technologische Innovationen unterstützt werden. Zu diesem Ergebnis kamen die Studienautoren via Analyse von mehr als 300 Anwendungsfällen aufstrebender Technologien im Zusammenhang mit der 4. industriellen Revolution, darunter künstliche Intelligenz (KI), Blockchain, Internet der Dinge, 5G und Drohnen.

Ungleichheiten vertiefen oder beseitigen?

„Neue digitale Technologien sind wichtige Instrumente zur Erzielung positiver ökologischer und sozialer Ergebnisse. Aber wir müssen Technologie-Realisten sein statt blinde Technologie-Optimisten. Es bedarf der richtigen Marktanreize und politischen Maßnahmen, um Investitionen zu kanalisieren und Lösungen zu verbreiten“, so Antonia Gawel, Leiterin der Abteilung Innovation und Kreislaufwirtschaft am Centre for Global Public Goods des Weltwirtschaftsforums. Es gäbe eine riesige Chance, die jetzt mehr denn je das Engagement von Führungskräften und neue Formen der Partnerschaft erfordert: „Wir haben keine Zeit zu verlieren, wenn wir in das Jahrzehnt der Umsetzung der globalen Ziele eintreten“, so Gawel anno 2020 – ein Jahr vor Einrichtung des CODES-Aktionsplans für einen nachhaltigen Planeten im digitalen Zeitalter, der nichts weniger im Sinn hat als eine digitale Transformation im Sinne des Menschenrechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Mit den Worten von Achim Steiner, Administrator des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen und CODES-Co-Vorsitzender: „Die Nutzung digitaler Technologien treibt einen massiven wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wandel voran, der Ungleichheiten entweder vertiefen oder beseitigen kann. Die Zukunft der Menschheit und die Gesundheit des Planeten Erde werden maßgeblich von diesem Wandel geprägt sein.“

Digitale Festungen

Ob und in welchem Tempo der Wandel gelingt, hat nicht zuletzt mit jenen Unternehmen zu tun, die die Macht der Digitalisierung in hohem Maße auf sich konzentrieren. Nach einer Schätzung von Forbes besitzen oder kontrollieren weniger als 20 Unternehmen 80 Prozent der globalen digitalen Infrastruktur in Bezug auf Cloud-Speicher und Rechenleistung. Noch größer ist die Machtkonzentration in einer länderspezifische Perspektive. So verfügen laut Digital Economy Report der Vereinten Nationen (2021) die USA und China zusammen über die Hälfte der Hyperscale-Rechenzentren der Welt, 94 Prozent aller Finanzierungen für KI-Start-ups in den letzten fünf Jahren, 70 Prozent der Prozent der weltweit führenden KI-Forscher und fast 90 Prozent der Marktkapitalisierung der digitalen Plattformen der Welt. Die sieben größten Plattformen – Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google), Meta (Facebook), Tencent und Alibaba – investieren zunehmend in alle Teile der globalen Datenwertschöpfungskette, von der Datenerfassung durch nutzerorientierte Plattformdienste über Datenübertragungen via Unterseekabel und Satelliten bis hin zur Datenspeicherung (Rechenzentren) und der zunehmend von KI getriebenen Datenanalyse. Die Autoren des UN Digital Economy Report schätzen den Gesamtwert der sieben größten digitalen Superplattformen auf rund zehn Billionen Dollar (Stand Anfang 2022). Das bedeutet, dass sieben Unternehmen etwa acht Prozent der globalen Aktienmarktkapitalisierung von 120,4 Billionen ausmachen (Angabe des US-amerikanischen Wirtschaftsverbandes Sifma, Securities Industry and Financial Markets Association).

Die digitale Machtkonzentration ist also offenkundig. Dass die Superkonzerne sich dabei ihrer nachhaltigen Verantwortung zunehmend bewusst werden, zeigt beispielhaft die Amazon Sustainability Data Initiative (ASDI), die mit dem Ziel gegründet wurde, Forschern, Wissenschaftlern und Innovatoren auf der ganzen Welt ihre Arbeit im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung zu erleichtern. „Das Programm bietet einen öffentlichen kostenlosen Zugang zu wichtigen wissenschaftlichen Daten, auf die Forscher sonst nur schwer zugreifen oder sie analysieren können. Außerdem unterstützt das Programm Innovatoren mit Cloud-Zuschüssen und technischem Fachwissen“, heißt es seitens Amazon. So kooperiert ASDI weltweit mit wissenschaftlichen Organisationen, um Datensätze zu identifizieren, die dann im Rahmen des AWS Open Data Sponsorship Program kostenlos gehostet werden. „Das Programm hostet derzeit Petabytes an Daten, darunter Wetterbeobachtungen, Meerestemperaturen, Klimaprojektionsdaten und Satellitenbilder. Unser Ansatz ermöglicht es Nachhaltigkeitsexperten, riesige Datenmengen innerhalb von Minuten zu analysieren, unabhängig davon, wo sie sich auf der Welt befinden oder wie viel lokalen Speicherplatz oder Rechenkapazität sie zur Verfügung haben“, sagt Kara Hurst, Vizepräsidentin von Worldwide Sustainability at Amazon.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.