Theaterpreise für „Leopoldstadt“

Tony-Awards: Das beste Broadway-Stück spielt in Wien

Tom Stoppard nimmt bei den Tony Awards in New York den Preis für das „beste Theaterstück“ entgegen.
Tom Stoppard nimmt bei den Tony Awards in New York den Preis für das „beste Theaterstück“ entgegen.Reuters / Brendan Mcdermid
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Tom Stoppards „Leopoldstadt“ - über eine jüdische Familie in Wien - räumte bei den Tony Awards ab. Bevor es zum Broadway-Hit wurde, war es auch in der Josefstadt zu sehen.

Die US-Theaterbranche hat das in Wien spielende Drama „Leopoldstadt“ zum besten Stück des Jahres gewählt: Bei den Tony Awards, den wichtigsten amerikanischen Theaterpreisen, gewann die Broadway-Produktion am Sonntagabend in der Kategorie „Best Play“ – und wurde mit drei weiteren Preisen zum meistprämierten Stück des Abends. 

Geschrieben vom britischen Dramatiker Tom Stoppard, und benannt nach jenem Bezirk, in dem Juden in der Monarchie zwangsweise angesiedelt wurden, wurde das Stück 2020 in London uraufgeführt, bevor es im vergangenen Herbst an den Broadway kam – mit sensationellem Erfolg: als „spätes Meisterwerk“ bezeichnete es das Hollywood-Branchenblatt „Deadline“, der Kritiker der „Washington Post“ beschreibt, wie er nach der Vorstellung in „wogendes Schluchzen“ ausbrach, die Produktion wurde verlängert und läuft noch bis Juli. Es erzählt – über die lange Zeitspanne von 1899 bis zur 1955 – von einer wohlhabenden Familie, die an der Ringstraße residiert und keinen Widerspruch darin sieht, Taufe und Beschneidung zugleich zu feiern: Man hat sich assimiliert, ist stolzer Teil der Wiener Gesellschaft. Bis die Nazis an die Tür klopfen.

Verleugnetes Judentum

Die deutschsprachige Erstaufführung fand im April 2022 am Theater in der Josefstadt statt, Daniel Kehlmann hatte den Stoff übersetzt, Janusz Kica inszeniert. Die österreichischen Kritiker waren nicht ganz so einhellig begeistert: „Stoppard hat ein Lehrstück verfasst, ein Erklär-Stück – gedacht vielleicht für Briten, die Abgründe österreichischer Geschichte nicht so genau kennen“, schrieb Norbert Mayer in der „Presse“. 

Tom Stoppard gewann damit nun jedenfalls bereits seine fünfte Best-Play-Trophäe. In „Leopoldstadt“ verarbeitete er seine eigene späte Auseinandersetzung mit seinen jüdischen Wurzeln: Unter dem Namen Tomáš Sträussler in der Tschechoslowakei geboren, floh er mit seiner Mutter am Tag des Einmarsches der Nazis nach Singapur; rechtzeitig vor der dortigen japanischen Besetzung floh die Familie weiter nach Indien (der Vater starb, als sein Schiff bombardiert wurde). 1945 heiratete die Mutter einen britischen Major und zog mit den Kindern nach England. Unter dem neuen Namen Tom Stoppard lebte der Bub dort ein Leben, das britischer nicht hätte sein können. Über die jüdische Herkunft – und die Tatsache, dass etliche nahe Verwandte im Holocaust ermordet wurden, wurde in der Familie jahrzehntelang geschwiegen. 

„Leopoldstadt“ sei, sagte er der „New York Times“, „autobiografisch, ohne wirklich ein autobiografisches Stück zu sein“. Warum er es in Wien ansiedelte? Weil er über einen kulturellen Hintergrund schreiben wollte, den er selbst nicht hat: „Bourgeois, kultiviert, die Stadt von Klimt und Mahler und Freud. Was könnte besser sein als Wien?“ (kanu)

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