Russland

Universität in St. Petersburg richtet Thinktank für Karin Kneissl ein

Karin Kneissl bei einem ihrer Auftritte im Rahmen der Konferenz
in St. Petersburg.
Karin Kneissl bei einem ihrer Auftritte im Rahmen der Konferenz in St. Petersburg. Imago / Alexander Ryumin
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Österreichische Ex-Außenministerin erwägt Umzug aus dem Libanon nach Russland. Mit dem neuen Institut „Gorki“ will man „russische Schlüsselthemen“ akademisch untersuchen. Zugleich übte Kneissl heftige Kritik am Westen.

St. Petersburg/Wien. Mit Verweis auf Lew Tolstois Roman „Krieg und Frieden“ klagte Österreichs Ex-Außenministerin Karin Kneissl am Donnerstag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, dass Österreich Russland verraten habe und sie selbst „eine Art Kollateralschaden“ dieser Sache gewesen sei. Kneissl (58) dachte in St. Petersburg zudem laut über eine Übersiedlung nach Russland nach und kündigte die Gründung eines von ihr geleiteten Russland-Thinktanks namens „Gorki“ an.

„Ich denke ernsthaft darüber nach, ob ich nach Russland übersiedle“, sagte die zuletzt im Libanon im „Exil“ lebende Kneissl am Donnerstag der russischen Nachrichtenagentur Tass. Sie betonte gleichzeitig, dass sie jedenfalls für eine russische Staatsbürgerschaft noch nicht bereit sei und Russisch lernen müsste, um Russin werden zu können. Erst nach der Lektüre von „Krieg und Frieden“, der Werke von Fjodor Dostojewski sowie zumindest zwei Werken von Anton Tschechow könne man über diese Frage sprechen. Gleichzeitig sprach sie sich gegen Doppelstaatsbürgerschaften aus.

Zu viel Macht für Minderheiten

In einer Diskussion beim Internationalen Wirtschaftsforum hatte die österreichische Ex-Politikerin (parteilose Außenministerin auf einem FPÖ-Ticket von 2017 bis 2019) bereits zuvor davon gesprochen, dass eine wachsende Zahl an Menschen im Westen im Zusammenhang mit Wertefragen nach Russland übersiedeln wollten und sie nicht damit einverstanden seien, dass ihr Alltag von „gewissen Minderheiten“ bestimmt werde - letzterer Punkt wird im Westen freilich zunehmend thematisiert. Auch gebe es eine alte Tradition für Migrationsströme aus Europa nach Russland, und diese könnten nun revitalisiert werden.

„Ich selbst lebe im Mittleren Osten nicht, weil ich mir das so ausgesucht habe. Ich habe dorthin am schnellsten übersiedeln können, als ich im vergangenen Jahr aus der Europäischen Union geworfen wurde“, sagte Kneissl, die sich zuletzt als „politischer Flüchtling“ bezeichnet hatte.

Russische Patienten seien in Österreich nicht behandelt worden

Viele Österreicher hätten in der Vergangenheit viel Geld mit Russen verdient, sie hätten Villas designt oder renoviert, erzählte sie. „Aber leider haben Ärzte in Österreich im vergangenen Jahr russische Patienten nicht mehr behandelt, weil sie Russen gewesen sind“, erklärte die Ex-Ministerin, ohne jedoch Beweise für diesen schwerwiegenden Vorwurf anzuführen.

Das Projekt Gorki präsentierte Kneissl am Freitag gemeinsam mit dem Rektor der staatlichen St. Petersburger Universität, Nikolaj Kropatschew. Die Abkürzung steht für „Geopolitical Observatory for Russia‘s Key Issues“ („Geopolitisches Observatorium für Russlands Schlüsselthemen“). Damit sollten akademische Antworten gefunden werden, um politische Aktivitäten zu begleiten. Das an der Petersburger Uni angesiedelte Zentrum werde sich etwa mit der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands, seiner Energieunabhängigkeit, Fragen von Migration sowie mit Diplomatie und russischer Außenpolitik beschäftigen, informierte die Uni in einer Presseerklärung. Und: Man verbinde „das akademische Potenzial der ersten Universität Russlands mit der reichen diplomatischen Erfahrung seiner Leiterin (Kneissl, Anm.)“.

Forum fast ohne West-Gäste

Das 1997 gegründete Petersburger Wirtschaftsforum zog gerade auch westlich-ausländische Teilnehmer an, etwa Unternehmer, Politiker, Medienleute, nicht zuletzt auch aus Österreich. Durch den Ukraine-Krieg hat das weitgehend aufgehört, westliche Medien sind vor Ort unerwünscht, die ausländische Gästeliste rekrutiert sich fast exklusiv aus den Reihen der Dritten Welt und Schwellenländern, etwa aus Kuba, Venezuela, Nicaragua, Myanmar, aus arabischen, afrikanischen und einigen asiatischen Ländern, aus China und Indien. Brasiliens Präsident Lula da Silva lehnte eine Teilnahme ab. (APA/red.)

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