Marsch auf Moskau

Warum scheiterte Prigoschin mit seinem Aufstand?

Der Chef der Söldner-Truppen Wagner wird in Rostow am Don von der russischen Bevölkerung bejubelt.
Der Chef der Söldner-Truppen Wagner wird in Rostow am Don von der russischen Bevölkerung bejubelt.ALEXANDER ERMOCHENKO
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Bei seiner Rebellion dürfte der Chef der Wagner-Truppen Unterstützung aus dem Militär erhalten haben. Die Bewohner von Rostow am Don feierten ihn bei seinem Abzug wie einen Helden. Das deutsche Außenamt hat eine Vermutung für sein Scheitern, berichtet der „Spiegel“.

Die Ereignisse in Russland in den vergangenen 24 Stunden waren bemerkenswert: Etwa 5000 Söldner von Jewgenij Prigoschin rückten Stunde für Stunde in Richtung Moskau vor. Die Wagner-Truppen hätten die Vororte der russischen Hauptstadt erreichen können, wenn der Wagner-Chef sie nicht zurückbeordert hätte, schreibt das „Institut für Kriegsstudien“. Die Aktion haben den Mangel an russischen militärischen Reserven im Hinterland deutlich gemacht.

Der Militärexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations sagt gegenüber der „Presse“, dass Prigoschin wohl Unterstützung aus dem Militär gehabt hat. Denn die Wagner-Gruppe übernahm Rostow am Don in der Nacht auf Samstag mühelos. Die Millionenstadt an der ukrainischen Grenze spielt für die russische Armee eine Schlüsselrolle in der Invasion gegen die Ukraine. „Rostow ist keine unbefestigte Stadt, da rennt genug Militär herum“, erläutert Gressel, „wenn die Prigoschin hätten stoppen wollen, hätten sie es machen können. Dasselbe gilt für Woronesch.“

Der Jubel um Prigoschins in Rostow am Don in der Nacht zeigt, dass der Söldner-Chef in der Bevölkerung beliebt ist. Der einstige Unternehmer aus St. Petersburg, der während des Kriegs in der Ukraine eine erstaunliche Wandlung zum blutrünstigen Feldherr vollzogen hat, ist für viele ein Volksheld: Über seinen Telegram-Kanal richtete er sich in den vergangenen Monaten mit brutal ehrlichen Worten an die Öffentlichkeit und kritisierte das russische Establishment. Er sprach aus, was viele sich nicht zu sagen trauten.

Zu wenig Unterstützung aus dem russischen Staat

Warum also scheiterte Prigoschin mit seinem Aufstand, der sich zuallererst gegen die russische Militärführung unter Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Walerij Gerrasimow richtete?

Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ veröffentlichte eine Interpretation des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums in Deutschland. Damit sollen die Obleute der Bundestagsausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung am Samstagabend über die aktuellen Entwicklungen informiert worden sein. Die Vermutung: Prigoschin habe für seinen Putschversuch nicht die von ihm erhoffte Unterstützung von staatlichen russischen Kräften erhalten und daher den Marsch auf Moskau gestoppt.

Prigoschin habe wahrscheinlich darauf gesetzt, dass ein Marsch gegen das Ministerium der einzige Weg sei, die Wagner-Gruppe als unabhängige Kraft zu erhalten, analysiert das US-Institut ISW: Das Verteidigungsministerium forderte eine Unterordnung der privaten Sicherheitsunternehmen bis Anfang Juli. Bei dem Vormarsch habe er seine eigenen Chancen aber überschätzt, so das ISW.

Prigoschin, Außenseiter der Elite

Denn der Wagner-Chef ist ein Außenseiter in der russischen Polit-Elite. Seinen Einfluss bis hinauf in den Kreml erkaufte sich der 62-Jährige zunächst durch seinen Konzern „Konkord“, der Immobilien, Medien, Catering-Services und Gastronomie versammelt. Später als Gründer der privaten Sicherheitsfirma Wagner, die für Russland in Krisengebieten weltweit schmutzige Arbeiten verrichtete. Aus seinem durch herbe Verluste erzielten Erfolg in der ostukrainischen Stadt Bachmut wollte er weiter politisch Kapital schlagen. Offenbar vergebens: Russlands Elite bleibt Wladimir Putin treu. Vorerst. Prigoschin ist für sie ein Unsicherheitsfaktor.

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