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Warum die Kapsch-Aktie wilde Sprünge macht

Die gescheiterte deutsche Pkw-Maut ist ein bitteres Kapitel in der Kapsch-Geschichte.
Die gescheiterte deutsche Pkw-Maut ist ein bitteres Kapitel in der Kapsch-Geschichte.Werner Bachmeier/www.picturedesk.com
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Verkehr. Lange hatte der Mautsystembetreiber auf Schadenersatzzahlungen aus Deutschland gewartet. Nun ist es soweit. Die Aktie erlebt eine Berg- und Talfahrt.

Wien. Das nennt sich dann wohl Achterbahnfahrt: An einem Tag 20 Prozent im Plus, am nächsten 13 Prozent im Minus. 40.000 gehandelte Wertpapiere statt der üblichen 6.000 pro Tag. Die Aktie des heimischen Mautbetreibers Kapsch TrafficCom reagierte am Mittwoch und Donnerstag heftig auf - durchaus positive - Nachrichten aus Deutschland. Die Bundesrepublik muss dem Maut-Betreiber und seinem Joint Venture-Partner CTS Eventim nämlich Schadenersatz leisten: Konkret fließen 243 Mio. Euro an das gemeinsame Unternehmen autoTicket, das einst den Auftrag erhalten hatte, sich um die deutsche Pkw-Maut zu kümmern. Der Haken daran: Das Vorhaben, ein Prestigeprojekt der deutschen CSU, wurde nie umgesetzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte etwas gegen die geplante Ausgestaltung und kippte das Projekt.

Denn das Konzept sah vor, dass die Maut zunächst von allen bezahlt werden soll, die auf deutschen Straßen unterwegs sind. Weil man die eigenen Bürger mit dieser Abgabe aber nicht belasten wollte, gebar man die Idee, inländische Fahrzeughalter über eine Kfz-Steuer in mindestens gleicher Höhe zu entlasten. So dass am Ende nur Ausländer zu Kasse gebeten worden wären. Ab Oktober 2020 hätte die Maut umgesetzt werden sollen - letztendlich ist sie zur Gänze gescheitert.

Da hatten Kapsch und CTS Eventim die Ausschreibung aber schon für sich entschieden - das war 2018. Nach dem Urteil des EuGH im Jahr 2019 wurde der Vertrag seitens der Bundesrepublik gekündigt, was für Kapsch einen herben Rückschlag bedeutete - und man so nicht auf sich sitzen ließ. Denn der Auftrag war in Summe rund zwei Mrd. Euro schwer und wäre zunächst mindestens für einen Zeitraum von zwölf Jahren gelaufen. Also verlangte Kapsch und sein Partner Schadenersatz in der Höhe von 560 Mio. Euro - und bekam nun 243 Mio. Euro zugesprochen. Für die deutschen Steuerzahler ist das alles andere als erfreulich. „Das ist eine bittere Summe“, sagte dazu FDP-Verkehrsminister Volker Wissing.

Staaten zurückhaltend

Kapsch selbst erwartet, dass dem Unternehmen direkt 80 Mio. Euro zufließen werden, weil das Gemeinschaftsunternehmen autoTicket unter anderem noch Abwicklungskosten zu tragen hat, deren Höhe allerdings noch nicht zur Gänze feststehen. In Deutschland wurde nämlich schon damit begonnen, das Mautsystem zu errichten. Und: Schadenersatz muss auch versteuert werden, ein ebenfalls nicht zu kleiner Posten. Für den Mautsystembetreiber bedeuten die Geldmittelzuflüsse jedenfalls „eine signifikante Verbesserung des operativen Ergebnisses“. Auch ein Umsatzwachstum im einstelligen Prozentbereich wird in Aussicht gestellt.

Bisher war Kapsch nur von einer leichten Ergebnissteigerung ausgegangen. Im Geschäftsjahr 2022/2023 belief sich das Ebit lediglich auf 7,6 Millionen Euro, was einem Rückgang von rund 27 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor entspricht. Zudem fiel 2022/2023 ein Verlust von 24,2 Mio. Euro an, nach Minus 6,2 Mio. Euro im Jahr 2021/22.

Das Unternehmen war in der jüngeren Vergangenheit damit beschäftigt, sich zu restrukturieren. „Derzeit läuft das Geschäft noch schleppend“, sagt RBI-Analystin Teresa Schinwald. Auch weil man von öffentlichen Auftraggebern abhängig sei und diese in den vergangenen zwei, drei Jahren mit anderen Dingen als Verkehrsmanagement beschäftigt waren, so Schinwald. So hat Kapsch etwa einen Geschäftsbereich in Spanien verkauft, in den USA wurde eine Tochter neu aufgestellt, weil dort einige Projekte nicht so gut gelaufen seien. Da sich das Umsatzniveau über die Jahre reduziert hat, musste das Unternehmen auch die Kostenbasis anpassen, so die Analystin. „Momentan ist man jedenfalls besser aufgestellt, als in den Jahren zuvor“, sagt Schinwald. Sie geht derzeit von einem leichten Anstieg des Umsatzes im laufenden Geschäftsjahr aus.

Dividende bleibt ausgesetzt

Ende Mai gab das Unternehmen zudem die Restrukturierung seiner Finanzierungen mit den „wesentlichen Finanzgläubigern“ bekannt, wie es hieß. Ziel sei eine Reduktion der Nettoverschuldung um zumindest 60 Mio. Euro. Zu diesem Zweck verpfändete auch die Hauptaktionärin Kapsch-Group alle ihre Aktien. Von Experten wurde der Schritt als positives Zeichen gewertet, weil der Eigentümer buchstäblich alles dafür tue, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Die Aktie litt damals unter der Nachricht, der Kurs brach rund zehn Prozent ein. Das Unternehmen verpflichtete sich nämlich auch, auf Ausschüttungen zu verzichten. Daran werden die Mittelzuflüsse aus Berlin nichts ändern. Die Dividendenpolitik bleibt ausgesetzt. Das letzte Mal wurde eine solche für 2019 (1,50 Euro) bezahlt.

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