Dieselskandal

Erstes Urteil in VW-Sammelklage: VKI legt Berufung ein

Alle Einwendungen von Volkswagen wies das Landesgericht St. Pölten zurück.
Alle Einwendungen von Volkswagen wies das Landesgericht St. Pölten zurück.Getty/Tobias Schwarz
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Das erste Urteil über eine österreichische Sammelklage bejaht die Haftung von Volkswagen. Konsumentenschützer berufen jedoch, da der Schadenersatz zu gering sei.

Der VW-Dieselskandal beschäftigt seit Jahren Verbraucher, deren Schützer, Anwälte und Gerichte. Mittlerweile gibt es in Europa eine Vielzahl an höchstgerichtlichen Entscheidungen, zuletzt auch mehrfach Entscheide des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Zusammenhang mit dem sogenannten Thermofenster. Der EuGH hatte etwa in einem Urteil von März bestätigt, dass ein in den Fahrzeugen enthaltenes Thermofenster nur unter unwahrscheinlichen Rahmenbedingungen zulässig sein könnte – mit der Konsequenz, dass den Betroffenen ein angemessener Schadenersatz zusteht. Schon 2020 hat der Deutsche Bundesgerichtshof (BGH) rund um den Dieselskandal eine Arglist des deutschen Autobauers festgestellt.

Jetzt gibt es ein erstes Urteil zu einer Sammelklage in Österreich. Das Landesgericht St. Pölten bejaht die VW-Haftung, so der Verein für Konsumenteninformation (VKI), der aber gegen den aus seiner Sicht zu geringen Schadenersatz beruft. Der vom Landesgericht St. Pölten durchschnittlich vorgesehene Schadenersatz von vier Prozent des Kaufpreises liegt aus Sicht des VKI nämlich „deutlich unter der Messlatte“, hieß es in einer Aussendung am Montag. Das St. Pöltener Landesgericht weiche massiv von zahlreichen weitaus höheren Zusprüchen anderer österreichischer Gerichte in Einzelverfahren ab. Für einige Betroffene mancher Skoda- und Seat-Modelle sei im vorliegenden Urteil zudem gar kein Schadenersatz vorgesehen. „Damit wird auch die aktuelle Rechtsprechung des deutschen BGH zum Schadenersatz bei Thermofenstern vom Landesgericht St. Pölten nicht berücksichtigt“, schreibt der VKI in seiner Berufung gegen das Urteil.

Höhere Strafen bei Einzelverfahren

„Ein so geringer Schadenersatz ist in vielerlei Hinsicht nicht nachvollziehbar“, sagt VKI-Chefjurist Thomas Hirmke. Das dem Urteil zugrunde liegende Sachverständigengutachten weise einige Mängel auf. Das habe man schon im Verfahren versucht klarzumachen. „Wesentliche Punkte rund um die Datenbasis aus der sogenannten Eurotax-Liste wurden nicht berücksichtigt. Nicht umsonst kommen Sachverständige in zumindest 100 österreichischen Einzelverfahren zu Schadenersatz zwischen zehn und 30 Prozent des bezahlten Kaufpreises“, sagt der Konsumentenschützer. Das sei im Durchschnitt das Fünffache des vom Landesgericht St. Pölten zugesprochenen Betrages.

Auch das vor Kurzem erfolgte Urteil des deutschen BGH bleibe in der aktuellen Entscheidung des Landesgerichts St. Pölten unberücksichtigt. Demnach würden Betroffenen bereits bei fahrlässigem Einbau eines Thermofensters fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises zustehen. Der Schadenersatz bei vorsätzlicher Schädigung im Zusammenhang mit der ursprünglichen Manipulation der Software müsse insgesamt zwingendermaßen höher sein, so Hirmke. „Man müsste daher von einem Schaden von zumindest 15 Prozent des Kaufpreises ausgehen können.“

Schlussendlich sei der zugestandene Schadenersatz auch nicht mit dem von VW in Deutschland geschlossenen Massenvergleich mit 260.000 Fahrzeugbesitzern in Einklang zu bringen. Denn dort wurden im Durchschnitt rund 15 Prozent des Schadens von VW bezahlt. Offensichtlich ein Betrag, den auch VW selbst als angemessen erachtet, glaubt der VKI. „Wir werden daher weiter um eine angemessene Entschädigung für die Betroffenen kämpfen“, sagt Hirmke. „Es ist auch überhaupt kein Grund ersichtlich, warum von VW geschädigte Kundinnen und Kunden in Österreich schlechter gestellt werden sollten als in Deutschland“.

Einwendungen von VW abgewiesen

Das Landesgericht St. Pölten weist laut VKI in seinem aktuellen Urteil alle Einwendungen von VW zur angeblich nicht bestehenden Haftung zurück und bestätigt, dass es sich bei der ursprünglichen „Umschaltlogik“ um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, ebenso beim Thermofenster. Der Schaden ist dem Gericht zufolge zum Ankaufszeitpunkt zu bestimmen, eine allfällige Vorteilsanrechnung findet nicht statt.

Im Verfahren in St. Pölten vertritt der VKI 700 Betroffene, für die ein Schaden von insgesamt rund vier Millionen Euro geltend gemacht wird. Eingeklagt wurden wie in allen Sammelklagen des VKI 20 Prozent des bezahlten Kaufpreises. Es handelt sich um eine von 16 Sammelklagen, die die Konsumentenschützer im Auftrag von Sozialministerium und Arbeiterkammer (AK) und mit dem Prozessfinanzierer Omni Bridgeway bei den jeweiligen Landesgerichten Österreichs eingebracht haben. Insgesamt beträgt der Streitwert der Sammelklageaktion 60 Millionen Euro. Rund 10.000 Geschädigte werden dabei vom VKI vertreten.

(fre/APA)

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