Hochwasser

Hangrutsche in Südösterreich: „Eine Situation, wie wir sie noch nie hatten“

Das Bundesheer transportiert in Illmitzen (Kärnten) mit einem Black Hawk Stromaggregate.
Das Bundesheer transportiert in Illmitzen (Kärnten) mit einem Black Hawk Stromaggregate. Bundesheer / Arno Melicharek
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Die Flusspegel gehen zwar zurück, aber die Gefahr bleibt. In der Steiermark und in Kärnten könnten in den nächsten Stunden weitere Hänge abrutschen. Dienstgeber werden gebeten, ihre im Unwettereinsatz stehenden Mitarbeiter zu unterstützen.

„Das Wetter entspannt sich, aber die Gefahr ist nicht gebannt“ – so fasste Katastrophenschutzreferent und Landesrat Daniel Fellner von der SPÖ Kärnten die Lage nach den schweren Regenfällen zusammen. Seit dem Wochenende haben Kärnten und die Steiermark mit zahlreichen Hangrutschen zu kämpfen. In der Steiermark kam es mit Stand Sonntagabend bereits zu 320 Rutschen, am Montag rechnet man mit weiteren 100. In Kärnten geht man von insgesamt 400 bis 500 Hangrutschen aus, die das Land durchziehen werden.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach bei einer Pressekonferenz Montagmittag von einer „Situation, wie wir sie noch nie hatten“. Die Einsatzkräfte hatten in den letzten Tagen über 3500 Einsätze zu bewältigen. Für das heurige Jahr meldete der Landesfeuerkommandant bereits über 18.000 Feuerwehreinsätze und damit so viele wie im gesamten Jahr 2021. Die Überschwemmungen seien großteils unter Kontrolle, teilt Kaiser mit. Die Hangrutsche stellen aber große Herausforderungen dar, da sie meist ohne Vorwarnung auftreten würden. Drei Gemeinden seien hierbei besonders betroffen: Globasnitz/Simonsberg, Eisenkappel und Neuhaus.

„Bei Hangrutschungen sind wir machtlos“

In St. Veit an der Glan sind am Sonntagabend zudem zehn Bewohnerinnen und Bewohner aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht worden, weil ein Erdrutsch befürchtet wurde. Die Obermühlbacher Straße wurde komplett gesperrt, nachdem größere Bereiche des Banketts stark unterspült und teilweise sogar weggebrochen waren, teilte die Landespolizeidirektion Kärnten am Montag in der Früh mit. Das Problem sei, dass die Hänge durch die vielen Niederschläge durchnässt sind und daher zu rutschen beginnen, erläutert Günter Weichlinger von der Abteilung für Umwelt, Naturschutz und Klimaschutzkoordination der Kärntner Landesregierung. „In dem Fall kann man fast nur warten und auf Wetterbesserung hoffen, damit sich die Hänge von selber entwässern und dadurch wieder stabil werden“, sagt Weichlinger. „Da sind wir bei Hangrutschungen eher machtlos“.

In der Nähe der Herzogstadt haben die Überschwemmungen am Sonntag ein erstes Todesopfer in Kärnten gebracht. Ein Mann aus dem Bezirk St. Veit war am gesperrten Glanradweg zwischen Raggasaal und Karnburg unterwegs gewesen, als er vom Wasser in den Fluss gerissen wurde. Nach einer Suchaktion wurde er im Bereich Karnburg leblos im Wasser treibend gesichtet und von der Wasserrettung Krumpendorf geborgen. Der Mann verstarb im Klinikum Klagenfurt.

Appell an den Bund

Kaiser appellierte an den Bund, wegen vermehrter Unwetter, dringend den Katastrophschutzfonds aufzustocken. „Ich glaube, hier bricht leider eine neue Ära an“, sagt der Kärntner Landeshauptmann. „Diese Vorfälle zeigen, dass wir auch insgesamt in unserem Umgang mit der Natur neue Seiten aufschlagen werden müssen, um mittel- und langfristig solchen Katastrophen vorbeugend zu begegnen“. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) wiederum meinte am Rande einer Pressekonferenz, dass der Katastrophenfonds „ausreichend dotiert“ sei.

Landesrat Fellner mahnte die Bevölkerung noch einmal eindringlich, sich an die Zivilschutzwarnungen zu halten. Er habe den Eindruck, dass diese teilweise nicht ernst genommen werden. „Wir machen das nicht, weil wir lustig sind, sondern weil wir der Meinung sind, dass dort Leib und Leben in Gefahr ist, wenn man hier das Haus verlässt“, betont Fellner. 13 Zivilschutzwarnungen sind in Kärnten aktuell noch aufrecht.

Im Hintergrund arbeite man intensiv daran, die Soforthilfe für die Kärntner Bevölkerung bereitzustellen. „Das soll in den nächsten Stunden gelingen“, sagt Fellner. Wichtig sei es, die Gelder schnell und unbürokratisch auszuzahlen. Sollte sich die Lage entspannt haben, werde man beginnen, die Katastrophe zu evaluieren, sagt Kaiser.

Sorge um Verfügbarkeit von Freiwilligen

Der Großteil des Einsätzkräfte bewerkstelligt die Einsätze ehrenamtlich. Die mögliche Verfügbarkeit von Freiwilligen bereitet deshalb Sorge. Vonseiten des Roten Kreuzes, des Landesfeuerwehrverbandes und des Landes Kärnten appellierte man angesichts des Beginns der Arbeitswoche an die Dienstgeberinnen und Dienstgeber, ihre im Unwettereinsatz stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die bei einer Dienstverhinderung wegen Teilnahme an einem Großschadensereignis- und Bergrettungseinsatz Entgelt fortzahlen, gebührt nach den jeweiligen Landesgesetzen eine Abgeltung durch das Land. Auch Kaiser wies noch einmal auf diese Möglichkeit hin. Beschäftigte beim Land Kärnten und den Gemeinden können zudem um Sonderurlaub für Einsätze und Ausbildungen ansuchen.

„Ja, wir sind am Limit“, sagt der Kärntner Landesfeuerkommandant Rudolf Robin, „ aber wir sind Herausforderungen gewohnt und stellen uns ihnen“. Denn man verfüge über ein flächendeckendes Netzwerk an Feuerwehren in Kärnten mit 19.000 aktiven Mitgliedern und 428 Feuerwehren. Es gebe auch eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern. Niederösterreich unterstützt etwa mit Großpumpen und Radladern. Salzburg und Oberösterreich haben angeboten zu helfen, sollte man nicht mehr können.

Auch Hunderte Hangrutsche in der Steiermark

In der Steiermark sanken im ganzen Land die Pegel der Flüsse und Bäche. Daten des Hydrographischen Dienstes des Landes zeigten am Montag in der Früh nur noch die Mur in Graz und Mureck im „gelben“ Bereich, aber auch in diesem Fall mit stark sinkendem Pegel. Auch der Pegelstand der Sulm im Bereich Leibnitz, der am Sonntagnachmittag noch einen leicht steigenden Verlauf gezeigt hatte, sank rapide.

Grund zum Jubeln gibt es aber auch hier nicht. Denn auch in der Steiermark dürften in den kommenden Tagen Hangrutsche und Murenabgänge die Einsatzkräfte vor große Herausforderungen stellen. Bis Montagmittag wurden 400 Rutsche in der Steiermark erfasst. Teils bedrohen die Rutsche Wohnhäuser und Infrastruktur. Viele Ortswasserleitungen insbesondere im Bezirk Südoststeiermark sind gebrochen. Mit Stand Sonntagnachmittag sind in der Steiermark 82 Personen aus ihren Wohnhäusern in Sicherheit gebracht worden. Am Abend wurden die gesamten Bezirke Leibnitz und Südoststeiermark zum Katastrophenfall erklärt, wegen der Vielzahl an Hangrutsche. Für Montag werden weitere 100 Erdrutsche erwartet.

Besonders schlimm getroffen, hat es St. Johann im Saggautal, wo mitten im Ort ein Hang abrutschte und ein Wirtschaftsgebäude mitriss. Das Haus daneben steht zwar noch, ist aber Geologen zufolge auch massiv gefährdet.

Im Rahmen eines Hilfseinsatzes des Bundesheeres werden für das „Kärnten Netz“ zwei Stromaggregate mit einem „Black Hawk“ in Illmitzen (Gemeinde Neuhaus) transportiert.
Im Rahmen eines Hilfseinsatzes des Bundesheeres werden für das „Kärnten Netz“ zwei Stromaggregate mit einem „Black Hawk“ in Illmitzen (Gemeinde Neuhaus) transportiert. APA / Bundesheer / Arno Melicharek

Insgesamt waren seit Freitag rund 11.000 Feuerwehrleute in der Steiermark im Unwetter- und Hochwassereinsatz. Hinzu kamen weitere zahlreiche helfende Hände. 525 steirische Wehren rückten aus allen Teilen der Steiermark in den Süden aus. Freitag bis Sonntag wurden rund 2500 Einsätze gezählt, allein am Freitag waren es mit knapp 1350 Unwetter-Einsätzen mehr als im gesamten Jahr 2021. Im gesamten Jahr 2022 wurden mit rund 2660 Unwetter-Einsätzen nur etwas weniger als am vergangenen Wochenende registriert.

Das Wetter dürfte sich vorerst beruhigen: Im Norden der Steiermark werden am Montag noch Regenschauer erwartet. Der Süden sollte bis auf wenige Ausnahmen trocken bleiben. Auch in Kärnten dürfte es keine weiteren Regenfälle geben. Zwischenzeitlich zeigt sich laut Prognose der Geosphere Austria auch die Sonne. Auch in der Nacht wird mit trockenem Wetter gerechnet. Am Dienstag wird es dann erstmals wieder freundlicher und überwiegend sonnig.

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