Kartellstrafen gegen Österreichs größten Lebensmittelhändler Rewe über 20,8 Millionen Euro sollen nur der Anfang sein. Absprachen seien an der Tagesordnung, meint die Arbeiterkammer.
Wien. Österreichs größter Lebensmittelhändler Rewe akzeptiert eine Kartellstrafe über 20,8 Millionen Euro und gibt damit zu, dass er viele Jahre lang mit Lieferanten Preise abgesprochen hat. Mit der zweithöchsten Kartellstrafe in der Geschichte (nach dem Aufzugs- und Fahrtreppenkartell: 75,4 Millionen Euro Strafe) erreicht die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) somit einen spektakulären Etappensieg im Kampf gegen Marktmanipulationen. Und dieser Kampf tobt aktuell an vielen Fronten. Erst im Jänner durchsuchten BWB-Ermittler acht Tage lang die Salzburger Firmenzentrale von Spar. Auch dem zweiten großen Lebensmittelhändler droht eine saftige Kartellstrafe.
Wie funktioniert das Kartell? Die Lebensmittelkonzerne vereinbarten mit den Lieferanten eine Art „Tiefstpreisgarantie“. Die Lieferanten mussten sich verpflichten, anderen Händlern keine günstigeren Konditionen zu gewähren. Im Gerichtsentscheid des Kartellgerichts werden Rewe „vertikale Preisabstimmungen“ bei Molkereiprodukten, Obst, Gemüse, Fleisch, Wurst, Geflügel, Eiern, Eis, Konserven, Babynahrung, Brot, Süßwaren, Wein, Tiernahrung, Waschmitteln, Kosmetika, Klopapier und Bier vorgeworfen. Rewe-International-Chef, Frank Hensel, betonte, „dass Konsumenten in keiner Form auch nur irgendwie geschädigt wurden“.
Ermittlungen gegen Brauereien
Den Stein ins Rollen brachten 2011 Ermittlungen gegen die großen Brauereien Ottakringer, Stiegl und Brau Union. Die Bierkonzerne zahlten 1,1 Millionen Euro Kartellstrafe. Es ging dabei zwar primär um einen anderen Wettbewerbsverstoß, einen Boykottbeschluss gegen den Cash&Carry-Handel. Die Spur führte aber auch zu den großen Lebensmittelketten und anderen Lieferanten.
Mittlerweile knöpfen sich die Kartellwächter offenbar auch die kleineren Brauereien vor. Wie „Die Presse“ am Montag erfuhr, gab es vor wenigen Wochen in der Hirter Brauerei eine Hausdurchsuchung. Hirter-Geschäftsführer Klaus Möller bestätigte dies auf Anfrage.
Rewe zieht mit der Anerkennung der Vorwürfe und der Geldbuße einen raschen Schlussstrich unter die Affäre. Und entgeht damit einem Ermittlungsverfahren. Erst ein solches hätte mehr Details ans Licht gebracht, kritisieren Konsumentenschützer. „Für Geschädigte ist es dadurch schwieriger, Schadenersatz zu fordern“, sagte ein Kartellrechtsexperte.
Tatsächlich liest sich der Gerichtsentscheid vage. Involvierte Lieferanten wie die Berglandmilch, gegen die bereits eine Kartellstrafe verhängt worden ist, werden nicht namentlich angeführt. Auch die Arbeiterkammer (AK) kritisiert die Intransparenz der Verfahren, sieht aber nun ihren Verdacht eines „Österreich-Aufschlags“ bestätigt: Dieselben Handelswaren seien in Österreich teurer als in Deutschland. „Es wird immer klarer, dass die im internationalen Vergleich überhöhten Lebensmittelpreise in Österreich auch auf Kartellabsprachen beruhen“, sagte AK-Direktor Werner Muhm.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2013)