Grätzelwalk

„Sagen Sie niemals Bahnhofsviertel zu ihm“

Lagevorteil: Hochwertige Büro- und Wohnobjekte rund um den „neuen“ Bahnhof.
Lagevorteil: Hochwertige Büro- und Wohnobjekte rund um den „neuen“ Bahnhof.Getty Images
  • Drucken

Die Gegend rund um den Wiener Hauptbahnhof und das Belvedere hat es geschafft, sich zu einer Lage mit Quadratmeterpreisen im fünfstelligen Euro-Bereich zu mausern.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Begriffe Luxuslage und zehnter Bezirk so gut zusammenpassten wie Käsekrainer und Haubenküche. Oder Marmorbad und Laminat. Das hat sich gründlich geändert: Mittlerweile werden für Wohnquadratmeter mit der Postleizahl 1100 bis zu – passenderweise – 10.000 Euro auf dem Quadratmeter gezahlt – wenn sie denn an der richtigen Stelle des Zehnten gebaut wurden. Und das heißt, in dem Grätzel rund um den Hauptbahnhof, Schweizergarten und das Arsenal – gern mit Blick auf den Vierten, genauer gesagt aufs Belvedere.

Denn dessen Name findet sich in erstaunlich vielen Projekten, die in den vergangenen Jahren hier entstanden sind: von den Stelzenhäusern Renzo Pianos an der Arsenal Straße, dessen Wohnungen sich unter dem Namen „Parkapartments am Belvedere“ verkauften wie geschnitten Brot, über die „Bel&Main“-Wohnungen, die mit dem für Wien neuen Konzept der servicierten Mietobjekte reüssierten, bis zum „Quartier Belvedere“, das komplett auf dem Boden des Zehnten errichtet wird. „Da ist seinerzeit viel nach dem Belvedere benannt worden, da vor fünf, sieben, acht Jahren viele Entwickler noch die Scheu hatten, den Zehnten im Namen zu verwenden, da dieser noch nicht angesagt war“, erklärt Nino Lutz, Vertriebschef für den Bereich Wohnen in Wien und Gewerbeimmobilien bei sReal. Das hat sich inzwischen allerdings gründlich geändert. „Die ganze Gegend hat durch den neuen Hauptbahnhof eine extreme Aufwertung erhalten“, so der Makler. „Hier hat es in den vergangenen zwei bis drei Jahren Preissteigerungen von 20 bis 25 Prozent gegeben.“

Hochwertig gebaut

Das ist keine Selbstverständlichkeit, blickt man auf Bahnhofsgegenden anderer Metropolen an – von denen viele nie auch nur in den Verdacht geraten sind, als Wohnadresse im Luxussegment interessant zu sein. Dafür, dass dem Wiener Hauptbahnhof dieses Schicksal erspart bliebt, macht der Immobilienexperte die Entscheidung der Stadt Wien verantwortlich, hier auch einen Bürocluster zu entwickeln und auf hochwertige Architektur zu setzen. „Es war ein Novum für Wien in so einer Gegend so hochwertig zu bauen, aber der Mut hat sich ausgezahlt“, ist er überzeugt. So sei in den Türmen einerseits viel an Vorsorgewohnungen, aber auch an ein internationales Publikum verkauft worden, die vor allem die gute Infrastruktur durch den Hauptbahnhof schätzen, von dem aus man schnell in der Stadt, aber auch am Flughafen ist. Im Sonnwendviertel seien dann die hochwertigen Wohnbauprojekte gefolgt, die für eine weitere Aufwertung gesorgt haben. Und mit den Büroclustern, in denen auch Lutz seinen Arbeitsplatz hat, sei die Gefahr, dass die Gegend sich zu einem typischen „Bahnhofsvorplatz“ entwickle, überhaupt gebannt gewesen. Mittlerweile können in den obersten Etagen der Wohntürme und anderen Projekten im zwischen 8000 und 10.000 Euro auf dem Quadratmeter verlangt werden, „sofern es sich wirklich um ein Objekt im High end-Bereich handelt“, betont Lutz.

Das Campus Bräu gehört auch zu den Lieblingslokalen von Herta Oppitz, Geschäftsführerin der Palladium Immobilien-Verwaltung, die den Einzug der neuen Bewohner in diesem Grätzel von der ersten Minute miterlebt und betreut hat. Denn Oppitz‘ Unternehmen betreut das Bel&Main zur Gänze, die Parkapartments im Stelzenhaus und das Hotel Andaz zum Teil – „und entsprechend kenne ich die Gegend in und auswendig“, so die Hausverwalterin. Genau wie die Veränderungen, die hier in den letzten Jahren stattgefunden haben.

»Jetzt ist die ganze Gegend ein Ort zum Wohlfühlen.«

Herta Oppitz

Geschäftsführerin der Palladium Immobilien-Verwaltung

„Es hat sich einfach die ganze Situation komplett verändert. Früher ist man hier her gekommen, in den Zug eingestiegen und weggefahren und das war’s, so die in der Wachau geborene Wahl-Wienerin. „Jetzt ist die ganze Gegend ein Ort zum Wohlfühlen.“ Was neben öffentlichen Parks wie dem Belvedere und dem Schweizergarten auch an den privaten Grünflächen rund um die neuen Wohnhäuser liege. Die heute Menschen aller Altersgruppen anziehen, wie sie im „eigenen“ Haus feststellt. „Unsere Bewohner sind ganz gemischt, vom jungen Pärchen mit Double Income, no Kids bis zu Senioren, die sich ganz bewusst im letzten Lebensabschnitt noch etwas gönnen möchten.“ Die inzwischen aufgewertete Lage sorge aber auch dafür, dass Paare hier nicht nur übergangsweise in den Zwei-Zimmer-Wohnungen leben, sondern es bereits Wartelisten für die Drei-Zimmer-Varianten gäbe, wenn sich Nachwuchs einstelle. „Denn wir haben gute Schulen in der Nähe, in der Anlage selbst auch einen Kindergarten und Spielplatz, und der Schweizergarten ist für viele die ideale Laufstrecke“, berichtet sie, was das neue Grätzel-Gefühl ausmacht.

Gut angebunden

Ein Faktor sei dabei auch die gute Erreichbarkeit der Innenstadt, die in Kombination mit dem Hauptbahnhof ein eigenes Auto häufig unnötig macht. „Wenn ich mich in den D-Wagen setze, bin ich in vier Stationen beim Musikverein und der Oper“, nennt die Liebhaberin klassischer Musik ein Beispiel, was nicht nur ihr, sondern auch vielen Grätzel-Bewohnern an der Lage gefällt. Auf der anderen Seite sei man mit der Schnellbahn oder dem CAT genauso schnell raus aus der Stadt oder beim Flughafen. Und diese Infrastruktur sei heute nicht mehr mit den Nachteilen von einst verbunden. „Bei uns können die Bewohner ja zwischen Wohnungen mit Blick auf das Belvedere oder den Bahnhof, also die Main Station, daher auch Bel&Main, wählen“, so Oppitz. „Viele entscheiden sich für die Main-Seite, weil sie diese ruhiger empfinden – denn die Züge hört man heute kaum noch, und mit der Dreifachverglasung gar nicht mehr“. (sma)

Tipps: Bezirke & Beisl

Die neue Beliebtheit des Grätzels hat auch mit den alten und neuen Plätzen zu tun, die die Lebensqualität hier ausmachen. „Den Schweizergarten und das Belvedere hat es ja immer schon gegeben, und sie gehören auch beiden zu meinen Lieblingsplätzen“, nimmt es auch Lutz mit dem Grenzverlauf zwischen 1040 und 1100 nicht so genau. Um gut verköstigt zu werden, mag Lutz das „Stöckl im Park“ im Unteren Belvedere sehr gern oder das Hotel Daniel, dessen kulinarisches Konzept Lutz besonders sch­ätzt – und das streng genommen ja zum Dritten gehört. Das kümmert aber kaum jemanden, der es zu Fuß von seiner Wohnung oder nach der Arbeit in ein paar Minuten erreicht.

Ein echter „Zehnter“ ist dagegen das „Campus-Bräu“, wo der Makler und viele seiner Kollegen von der Erste Bank ihre Mittagspausen verbringen oder sich zum Afterwork-Getränk treffen. Das Bräu gehört auch zu den Lieblingslokalen von Herta Oppitz, sie genießt die neue Gastronomie im Grätzel. Zu Mittag gehört das Iki wegen seines „einfach guten Essens“ zu Oppitz‘ Lieblingszielen, genau wie das Eugen21 im Hotel Andaz. „Dort gibt es zum täglich wechselnden Mittagsmenü immer einen Kaffee dazu“, so die Immobilien-Expertin.

Und obendrüber eine der schönsten Bars der Stadt: „Die Rooftop Bar Aurora mit ihrem Blick über Wien ist einfach großartig“, so die Maklerin. „Da kann man auch am Nachmittag schon hingehen und den Blick über Wien bis zum Kahlenberg genießen – dann muss man auch nicht reservieren“, verrät sie.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Petra Stelzmüller auf der Wasserleitung im Sigmund-Freud-Park.
Grätzelwalk

Am Wasserlauf der Undine

Mit Designerin Petra Stelzmüller zur temporären Wiener Wasserleitung zwischen 1. und 9. Bezirk, die als „Sprachrohr für Frauen“ Kunst, Diskussionsstoff und Hilfe bietet.
Sebastian Berger vor dem Renzhof.
Grätzelbesuch

Manege frei für die Zirkusgasse

Artisten, Tiere, Cabaret? Auf den Spuren des „Cirkus Renz“ in der Leopoldstadt mit Sebastian Berger, Kurator für Zeitgenössischen Zirkus des Kultursommers Wien 2023.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.