Mit der Wiener Schauspielerin Naemi Latzer unterwegs im 18. Wiener Bezirk: vom umgestalteten Nepomuk-Vogl-Platz über den Schubertpark bis hinunter zur Gentzgasse.
Ruhige Gassen, viele Bäume, Gründerzeitvillen und (gutbürgerlichen) Mietshäuser: So zeigt sich Währing, einer der grünsten Bezirke Wiens. Bekannt für die noblen Häuser im Cottageviertel, den Türkenschanzpark und den Kutschkermarkt, gilt es die weniger beachteten Bezirksteile im 18. zu entdecken: Vor nunmehr drei Jahren wurde der Johann-Nepomuk-Vogl-Platz umgestaltet. Seitdem hat er sich von einem „verschlafenen Ort“ hin zu einem gepflegten und belebten Freiraum entwickelt. Mit seinem wöchentlichen Bauernmarkt, attraktiven Lokalen und neuen Grünflächen, lockt er vor allem die Währinger aus dem sogenannten Kreuzgassenviertel an. Dazu zählt auch Naemi Latzer. „Ich bin eine Ur-Währingerin – seit nunmehr 30 Jahren“, meint die Schauspielerin.
Kunst und neue Lokale im Grätzel
Der Platz wurde „wachgeküsst“ samt wichtigem Detail am Rande: Die öffentliche WC-Anlage wurde von der Mitte auf die Seite versetzt – Kinder haben somit mehr Platz zum Spielen. Außerdem: das gastronomische Angebot kann sich sehen lassen. Da wäre beispielsweise das „Nest“, das zu Latzers Lieblingslokalen gehört, wie sie erzählt. Sogar die Straßenbahn fährt seit der Umgestaltung fast direkt vor ihre Haustüre. Denn die neue Station der Linie 42 befindet sich gegenüber vom Markt und in unmittelbarer Nähe zur Wohnung der Wienerin. „Ich fühle mich wohl im Grätzel“, meint Latzer, die für ihren „Traumberuf“ gerade sehr viel unterwegs ist. Die geschichtsinteressierte Frau steht aktuell vor der Kamera für ein finnisches Historiendrama und bereitet sich parallel dazu für ein Theaterstück in Graz vor. Aber beim Währinger Kunstfestival, an dem Latzer auch aktiv teilnimmt, ist sie wieder in Wien: Die Veranstaltung findet noch bis 15. Oktober auf dem Areal der einstigen Semmelweisklinik statt.
Renovierte Wohnung mit Familiengeschichte(n)
In den Drehpausen komme sie daheim in Wien zur Ruhe. Am besten gelinge ihr das in ihren eigenen vier Wänden, mitten im 18. Bezirk. Auf Herbergssuche musste sich die Absolventin des Wiener Konservatoriums für Schauspiel so gut wie nie begeben. Denn ihre Oma mietete vor mehr als 60 Jahren eine kleine Wohnung in der Schopenhauerstraße, die wiederum ihre Eltern renovierten und sogleich um die Nachbarswohnung erweiterten.
Jetzt wohnt Latzer selbst darin. Dass es sich dabei um einen „wohntechnischen Glücksfall“ samt altem Mietvertrag handle, weiß sie zu schätzen. „Es fällt zunehmend auf, dass Häuser im Bezirk lange leer stehen und letztendlich abgerissen werden“, beschreibt Latzer ihr Wohnumfeld.
» Mir gefällt es, wenn Geschäfte einen Wohnzimmercharakter haben.«
Naemi LatzerSchauspielerin

Lichtzeichen gegen das Vergessen
„Erfreulich“ sei für sie, die neue Holzbank bei der Leitermayergasse: „Wie mein zweites Wohnzimmer“, beschreibt Latzer die von ihr - an lauen Abenden - genutzte Sitzmöglichkeit. Hierher komme sie zum Nachdenken, lässt den ein oder anderen (Spätsommer-)Tag ausklingen und erledigt darauf - gemütlich sitzend - gerne ihre Telefonate.

Von hier aus sei abends auch die Lichtinstallation in der Schopenhauerstraße 39 zu sehen: Wo einst der Währinger Tempel stand, befindet sich nun ein Wohnhaus. Vor 85 Jahren, in der Nacht von 9. auf 10. November 1938 brannten sämtliche jüdischen Bethäuser und Synagogen, wie auch an dieser Adresse. Seit November 2018 steht unter anderem hier die „Sternstele“ des Künstlers Lukas Kaufmann. Sie besteht aus einem Mast und einem Leuchtkörper. Wenn man sich ihr nähert, fügen sich die geschwungenen Linien des Leuchtkörpers zu einem Davidstern.

Unterwegs zwischen „Beethafen“ und Währinger Straße
Historisch bedeutend ist ebenso der Schubertpark, mit dem Gemeinschaftsgarten „Beethafen“, der sich von der Schulgasse bis hinunter zur Währinger Straße erstreckt. Die Grünanlage legte die Stadt 1924/25 im typischen architektonisch-geometrischen Stil auf dem Areal des ehemaligen Währinger Ortsfriedhofs an. Einige Jahre später dann, anlässlich der Umgestaltung, wurde aus rund 40 biedermeierlichen und frühhistoristischen Grabmälern ein Gräberhain, der öffentlich zugänglich ist.

„Als Schülerin wollte ich immer zum alten Friedhof, um alte Knochen zu entdecken, aber vergebens“, erinnert sich Latzer an ihre Kindheit und Jugend im 18.. Oft war sie in ihrer Jugend im Cafe Mocca und im Gersthofer Stadtbahn anzutreffen. Ihr aktueller Lokal-Favorit ist das legendäre Cafe Schopenhauer in der Staudgasse, das kürzlich neu übernommen und für seine Musik- und Kultur-Veranstaltungen bekannt ist. Um nicht allzu „nostalgisch“ zu werden, wie Latzer meint, aber etwas vermisse sie dann doch im Grätzel: Und zwar den guten, alten „Tante-Emma-Laden“ (Anm. Greißler).

Ansonsten brauche sie aber nicht einmal weiter weg zum Baumarkt fahren. „Es gibt auf der Währinger Straße eine Eisenwarenhandlung, wo es beispielsweise Nägel als Stückware zu kaufen gibt und gegenüber ein altes Geschirrgeschäft. In Summe bedeutedas für sie eine hohe Lebensqualität. und deshalb ziehe es viele ihrer Berufskollegen, Künstler und Kreative nach Währing. „Mir gefällt es, wenn Geschäfte einen Wohnzimmercharakter haben“ beschreibt Latzer ihre Lieblingsorte. Dazu zählt Hartliebs Bücher genau so wie das „Trabant“.
Letzteres öffnet jeden ersten Montag im Monat seine Türen, um die verschiedensten Geräte gemeinsam zu reparieren. Oder der seit 2015 in der Gentzgasse 86-88 „Kulturdrogerie“, die als gemeinnütziger Verein den ehemaligen Verkaufsraum als Ausstellungs- und Performancefläche nutzt. Für Latzer eine Gegend, in der sie gerne wohnt.
Zum Ort, zur Person
In Währing, in Wiens 18. Bezirk, lag der Verkaufspreis für Wohnungen (Erstbezug/Neubau) bei im Schnitt 7896 Euro/m2; Nettomieten kamen auf 16,45 Euro/m2. (laut Otto Immobilien #Wien, 2023)

Bis 15. Oktober findet das kunst.fest.währing unter dem Motto „Birth Days“ in der Semmelweisklinik statt, unter anderem mit einem Kopfhörer-Spaziertanz für alle und einem Experimentalfilm mit Naemi Latzer. Programmdetails unter: www.kunstfestwähring.at und www.kulturdrogerie.org
Weitere Infos zu den Lichtzeichen-Standorten auf: www.lichtzeichen.wien