Lehrerdienstrecht: Koalitionsangst vor dem Nachzipf

Lehrerdienstrecht
Lehrerdienstrecht(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Beim Lehrerdienstrecht strampelt sich die Regierung nicht nur mit der Gewerkschaft ab. Weder Faymann noch Spindelegger will vor der Nationalratswahl als Schulversager dastehen.

Nicht nur in Österreichs Schulen rückt der Schulschluss näher. Für die rot-schwarze Bundesregierung ist ebenfalls bald Zeugnisverteilung durch die Wähler. Das ist der Grund, warum sich Bundeskanzler Werner Faymann einen Nachzipf ersparen will, indem die koalitionäre Prüfung bei der Neuregelung von Dienstrecht und Gehältern für die Lehrer auf die künftigen Regierungsverhandlungen aufgeschoben wird. Als eine Art Nachzipf nach der Neuwahl.

Knapp ein Jahr nach dem offiziellen Start der Beratungen zwischen den drei Ministerinnen Claudia Schmied (Unterricht, SPÖ), Gabriele Heinisch-Hosek (öffentlicher Dienst, SPÖ) und Maria Fekter (Finanzen, ÖVP) und vier Jahre nach dem Flop der Schulministerin mit der Verlängerung der Unterrichtszeit schaltet sich Bundeskanzler Werner Faymann demnächst selbst in die stockenden Gespräche mit der breiten Phalanx der Lehrergewerkschafter ein.


„Gipfel“ mit Faymann. Faymann lade noch vor dem Sommer zu einem „Gipfelgespräch“ zum Lehrerdienstrecht ein, wurde der „Presse“ am Samstag im Kanzleramt angekündigt. Zuerst wird allerdings noch abgewartet, was die für 13. Juni vorgesehene nächste Verhandlungsrunde der Ministerinnen mit den Lehrervertretern, angeführt von Chefverhandler Paul Kimberger, bringt.

Es hat ohnehin lang gedauert, bis Faymann die seit Jahren ungeklärte Frage neuer Gehaltsregelungen für die Lehrer und längerer Lehrverpflichtungen nun zur Chefsache gemacht hat. Das erfolgt mit Blick auf die Nationalratswahl am 29. September. Die von der SPÖ ausgerufene Bildungs- und Schuloffensive wird ein zentrales Thema im sozialdemokratischen Wahlkampf sein.

Da würde es gar nicht passen, stünde die SPÖ als Versager bei einem Schulreformvorhaben da. Die Rollenverteilung ist klar: Die Lehrergewerkschaft wird zur „Bremserfraktion“, die jede Neuerung abblockt. Dabei vergisst die SPÖ bei keiner Gelegenheit hervorzustreichen, dass im Hintergrund in Wahrheit Beamtengewerkschaftschef und ÖVP-Parlamentarier Fritz Neugebauer, seit Jahren ohnehin Buhmann schlechthin in der Bevölkerung, steht. Der hartnäckige Pflichtschullehrervertreter Kimberger aus Oberösterreich steht allerdings Neugebauer in dessen großen gewerkschaftlichen Fußstapfen inzwischen um nichts nach.


Angeeckt beim ÖGB-Chef. Allerdings hat auch Faymann parteiintern seine liebe Not bei seinem Drängen auf eine Einigung beim Lehrerdienstrecht noch vor der Wahl. Die Grenzen hat dem Bundeskanzler einer aufgezeigt, der in der Öffentlichkeit sonst nur selten gegen den SPÖ-Vorsitzenden auftritt: ÖGB-Präsident Erich Foglar. Weil der Kanzler zuletzt ein Gesetz ohne Zustimmung der Lehrergewerkschaft nicht mehr ausgeschlossen hat, ist er beim ÖGB-Chef angeeckt. Im Bundeskanzleramt will man zwar keinen SPÖ-Zwist sehen. Faktum ist aber, dass Foglar in der „ZiB 24“ in der Nacht auf Samstag vor einer Lösung ohne die Betroffenen gewarnt hat: Es werde gut sein, weniger den Zeitpunkt eines Abschlusses als die Qualität im Fokus zu haben.

Faymann rückt auch selbst aus, weil „seine“ Ministerin einmal mehr zu scheitern droht. Schmied wollte die ÖVP diesmal von Anfang an voll in das Ringen um das Dienstrecht einbinden, um nicht wie 2009 allein übrig zu bleiben. Die ÖVP umgekehrt trachtet(e), Schmied als Verantwortliche und notfalls Buhfrau hinzustellen.

Das Unterfangen ist für Vizekanzler Michael Spindelegger nicht ungefährlich. Die Lehrer zählen zur schwarzen Wählerklientel. Die ÖVP als „Schutzpatron“ bremsender Lehrerfunktionäre kann aber bei anderen Wählern wichtige Stimmen kosten. Die Angst vorm Versagen beim Dienstrecht grassiert vor Schulschluss auch bei der ÖVP.

Dienstrecht

2420 Euro brutto im Monat sollen künftig Junglehrer laut Regierungsplan erhalten. Die Lehrverpflichtung soll auf 24 Stunden erhöht werden.

Die Verhandlungen zwischen Regierung und Lehrergewerkschaft werden am 13. Juni fortgesetzt. Danach lädt Bundeskanzler Faymann zu einem Gipfelgespräch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2013)

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