Präsidentenwahl: Wie Irans Regime Reformer kaltstellte

Irans Regime Reformer kaltstellte
Irans Regime Reformer kaltstellte(c) REUTERS (CAREN FIROUZ)
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Die Iraner sollen heute einen Nachfolger für Mahmoud Ahmadinejad bestimmen. Zur Wahl stehen aber nur systemkonforme Kandidaten. So will das Regime Proteste wie 2009 verhindern. Bisher ging das Kalkül auf.

Wien/Teheran/Apa/Hd. Diesmal ging das iranische Regime auf Nummer sicher, und zwar auf allen Ebenen. Die oberste Maxime war: Wenn am heutigen Freitag die Iraner einen Nachfolger für Präsident Mahmoud Ahmadinejad wählen, dürfen sich unter keinen Umständen die blutig niedergeschlagenen Proteste wiederholen, die nach der mutmaßlich gefälschten Wiederwahl Ahmadinejads 2009 das Land erschüttert haben.

Zu diesem Zweck wurde am Donnerstag das Internet noch einmal verlangsamt. Regimegegnern soll so erschwert werden, an „abweichende“ Informationen zu gelangen, Beweise über Fälschungen zu verbreiten und vor allem, neue Proteste zu organisieren. Zusätzlich wurden die ohnehin schon sehr strikten Kontrollen von Internet-Cafés weiter verschärft. Der Kurznachrichtendienst Twitter spielte bei den Demonstrationen der „Grünen Bewegung“ 2009 eine wichtige Rolle, und noch mehr bei den Arabischen Revolutionen, die zwei Jahre später die Regime in Tunesien, Ägypten und Libyen stürzten. In Teheran hat man diese Lektion offenbar gelernt.

678 Kandidaten disqualifiziert

Noch wichtiger ist freilich das Sicherheitsnetz, das das Regime auf dem Wahlzettel einzog: Standen mit Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karrubi 2009 auch zwei reformorientierte Kandidaten zur Wahl, die – offenbar völlig überraschend für die Hardliner um Revolutionsführer Ali Khamenei – breite Volksmassen für sich einnehmen konnten, so hat man diesmal vorgebaut: 686 Kandidaten reichten ihre Unterlagen ein, und der mächtige Wächterrat schloss gleich einmal alle bis auf acht aus. Fast 99 Prozent der Kandidaten wurde bescheinigt, aus den verschiedensten Gründen nicht die Eignung für das Präsidentenamt zu haben. Darunter auch Ali Akbar Hashemi Rafsanjani (79), der dieses Amt immerhin schon zwischen 1989 und 1997 bekleidete.

Dass unter den acht dem Wächterrat genehmen Kandidaten keiner ist, der als klarer Reformer durchgehen kann, versteht sich. Den Anhängern der „Grünen Bewegung“ sollte keine neue Identifikationsfigur gegeben werden. Rafsanjani hätte eine sein können, wiewohl auch der kein Reformer ist, aber er hat 2009 seine Stimme zugunsten Moussavis erhoben.

Der gemäßigtste Kandidat war der blasse Ex-Vizepräsident Mohammed Reza Aref, der seine Kandidatur aber zugunsten von Hassan Rohani zurückzog. Der Kleriker Rohani leitete ab 2003 die Verhandlungen über Irans Atomprogramm, wurde aber zwei Jahre später von Ahmadinejad abgesetzt, dem er zu konziliant war. Das System der Islamischen Republik stellt Rohani freilich keinesfalls infrage, und es dürfte vielen reformorientierten Wählern heute schwerfallen, ihm ihre Stimme zu geben.

Trotzdem könnte er es in die vermutlich notwendige zweite Runde am kommenden Freitag schaffen, denn das konservative Lager hat sich etwas überraschend noch nicht sehr gelichtet. Mit dem jetzigen Atom-Chefverhandler Saeed Jalili, einem ausgewiesenen Hardliner, der sich in der Widerstandspose gegen den Westen gefällt, dem zumindest diplomatischer auftretenden Ex-Außenminister Ali Akbar Velajati, und Teherans in der Bevölkerung beliebten Bürgermeister Mohammed Bagher Ghalibaf hat dieses Lager drei relativ starke Kandidaten.

Drohung der Revolutionsgarden

Eine Umfrage sah zuletzt Ghalibaf, der als Bürgermeister das Image des „Machers“ kultivierte, vorn. Möglicherweise trauen ihm die Menschen am ehesten zu, einen Nerv für ihre durch die UN-Sanktionen immer größeren wirtschaftlichen Nöte zu haben (siehe Artikel unten).

Jalili und Velajati stehen beide Revolutionsführer Khamenei nahe. Velajati ist seit vielen Jahren dessen außenpolitischer Berater. Wenn er also im Wahlkampf auch den Stil von Ahmadinejads Außenpolitik kritisierte und mehr Dialogbereitschaft signalisierte, darf man eines nicht vergessen: Über die Nuklearfrage entscheidet Khamenei, zwischen ihm und Velajati dürfte da kein Blatt Papier passen.

Zumindest vor der Wahl ist das Kalkül des Regimes aufgegangen: Der Wahlkampf war im Vergleich zu 2009 lau, weckte keine großen Emotionen wie damals. Einige Poster der noch immer unter Hausarrest stehenden Reformer Moussavi und Karrubi, sehr viel mehr war von den „Grünen“ nicht zu sehen. Das Regime blieb dennoch misstrauisch, und so verkündeten die Revolutionsgarden schon im Mai düster, man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2013)

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