Iran: Jubel über den "Scheich der Hoffnung"

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Hassan Rohani hat die Präsidentenwahlen im ersten Durchgang für sich entschieden. Viele Bürger im Iran hoffen, dass der neue Staatschef eine diplomatischere Außenpolitik verfolgen wird.

Kairo/Teheran. Mit vorsichtigem Optimismus und Hoffnung auf konstruktive Atomgespräche haben die westlichen Staaten am Wochenende auf die Wahl des moderaten Klerikers Hassan Rohani zum neuen Präsidenten des Iran reagiert. Hunderttausende Menschen feierten mit Tanz und Hupkonzerten in Teheran und anderen Städten der Islamischen Republik die Niederlage der Hardliner. Rohani nannte seinen Erfolg einen Sieg „der Mäßigung und Vernunft über Extremismus und schlechte Manieren“. Gleichzeitig appellierte er an die internationale Gemeinschaft, das iranische Volk mit Respekt zu behandeln und seine legitimen Rechte anzuerkennen.

Laut dem Innenministerium, das das amtliche Endergebnis am Samstagabend bekannt gab, konnte sich der 64-jährige Geistliche mit 50,7 Prozent gegen seine fünf erzkonservativen Konkurrenten durchsetzen und auf Anhieb die absolute Mehrheit erringen. Auf Rohani, der sein Amt als Nachfolger von Mahmud Ahmadinejad Anfang August antritt, entfielen rund 18,6 der 36,7 Millionen abgegebenen Stimmen. Mit großem Abstand und 16,5 Prozent folgte der Teheraner Bürgermeister Mohammad Baqer Qalibaf. Der Bewerber mit den engsten Beziehungen zum Obersten Revolutionsführer Ali Khamenei, Atomunterhändler Saeed Jalili, landete mit 11,3 Prozent auf Platz drei. Der ehemalige Chef der Revolutionären Garden, Mohsen Rezai, erhielt 10,6 Prozent, die übrigen beiden Hardliner kamen nur auf einstellige Prozentanteile.

„Verlangen nach Demokratie“

Das Weiße Haus ließ erklären, man sei zu direkten Gesprächen mit dem Iran bereit, um eine diplomatische Lösung zu finden, die den internationalen Sorgen über das iranische Atomprogramm voll Rechnung trage. Moskau äußerte die Erwartung, künftig wieder enger mit Teheran zusammenarbeiten zu können. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle forderten den neuen Präsidenten auf, in regionalen und internationalen Fragen eine konstruktive Rolle zu spielen.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius pries „das Verlangen des iranischen Volkes nach Demokratie“ und erklärte, man sei bereit, mit Rohani in allen Bereichen zusammenzuarbeiten – von der Atompolitik bis zum Syrien-Konflikt. Sein britischer Amtskollege William Hague rief den frisch gewählten Präsidenten auf, den Iran auf einen neuen Kurs zu steuern und vor allem die Bilanz bei den Menschenrechten zu verbessern. Einzig Israel äußerte sich ausgesprochen skeptisch. Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht einem Wunschdenken hingeben und den Druck auf den Iran, sein Atomprogramm zu stoppen, verringern, erklärte Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag bei einer Sitzung seines Kabinetts.

Die Beteiligung der 50,5 Millionen wahlberechtigten Iraner war diesmal mit 72,7 Prozent geringer als vor vier Jahren. Viele moderate und reformgesinnte Wähler aber hatten sich in letzter Minute doch noch entschlossen, ihre Stimme abzugeben und damit der Strategie des moderaten Reformlagers zu folgen. Anfang letzter Woche hatten die beiden prominenten Ex-Präsidenten Mohammed Khatami und Ali Akbar Rafsanjani gemeinsam zur Wahl Rohanis aufgerufen, seinen moderaten Mitkonkurrenten Mohammed Reza Aref zur Aufgabe überredet und eindringlich vor einem Wahlboykott gewarnt. „Lange sollen die Reformen leben“, skandierten hunderttausende Iraner die ganze Nacht zum Sonntag in den Straßen und riefen „Bye, bye Ahmadinejad“. Reformzeitungen priesen seinen Nachfolger als „Scheich der Hoffnung“. Immer wieder forderten Sprechchöre junger Leute auch „Freiheit für die politischen Gefangenen“ und „Freiheit für Mussawi und Karroubi“, die beiden Führer der vor vier Jahren brutal unterdrückten Grünen Bewegung.

„Nieder mit dem Diktator“

Sieger Rohani hatte im Wahlkampf seine Anhänger demonstrativ violette Armbänder und Kopftücher tragen lassen, eine geschickt inszenierte Verbeugung vor der im Iran unvergessenen Kampagne in Grün seiner beiden mit Hausarrest terrorisierten Vorgänger. Der Geistliche, der als junger Mann Staatsgründer Ayatollah Khomeini in seinem Pariser Exil kennengelernt hatte, war zudem der einzige aus dem sechsköpfigen Kandidatenfeld, der es wagte, zur Beerdigung des prominenten Reform-Ajatollahs Jalaledin Taheri nach Isfahan zu reisen. Dort riefen vorletzte Woche Zehntausende in Sprechchören: „Nieder mit dem Diktator!“ Es war die größte regimekritische Kundgebung gegen Revolutionsführer Ali Khamenei seit zwei Jahren.

Zur Person

Hassan Rohani wurde 1948 geboren. Nach seinem Juraexamen in Teheran 1972 promovierte er in Glasgow an der polytechnischen Hochschule, der späteren Caledonian University. Mit Ajatollah Khomeini kehrte er in den Iran zurück. Im Irak-Krieg diente er als Kommandeur der iranischen Luftabwehr. Von 1980 bis 2000 gehörte er dem Parlament an. Unter Präsident Rafsanjani amtierte Rohani von 1989 bis 1997 als Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates. Präsident Khatami ernannte ihn zum Chefunterhändler bei der Atomenergiebehörde (IAEA). [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2013)

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