Farbe Lila statt Grün im Iran: Es kann nur besser werden

Der Sieg des gemäßigten Klerikers Hassan Rohani markiert innen- wie außenpolitisch eine Wende: Ein Sieg der Reformkräfte über die Hardliner des Regimes.

Die Iraner sind nach wie vor für faustdicke Überraschungen gut. Wegen der handverlesenen Selektion der Kandidaten als undemokratische Farce abgeschrieben, haben die Präsidentschaftswahlen einen Ausgang genommen, der einem harschen Misstrauensvotum gegen die regierenden Hardliner in Teheran gleichkommt. Dass sich Hassan Rohani, ein Pragmatiker und Mann der Mitte mit der hauchdünnen Tünche eines Reformers, schon im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit durchgesetzt hat, ist zumindest eine kleine Sensation. Er vermied so eine Stichwahl – und eine Wahlmanipulation zugunsten eines Herausforderers, der dem geistlichen Führer Ali Khamenei näher gestanden wäre.

Daran, dass Khamenei die zentrale Figur des Mullah-Regimes bleibt, ändert sich indessen nichts. Doch die Wahl Rohanis signalisiert nach innen und außen eine atmosphärische Entspannung. Nach den acht Jahren der stufenweisen politischen wie rhetorischen Eskalation unter seinem Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad markiert der Machtwechsel eine Wende zum Besseren – jedenfalls im Tonfall: Die groben antisemitischen und antiamerikanischen Tiraden sind fürs Erste vorbei.

Der 64-jährige Kleriker, ein erfahrener Diplomat und als Chefunterhändler im Atomstreit konzilianter als seine Nachfolger, lässt auf den ersten Blick mehr Verhandlungsbereitschaft in der Konfrontation um das Nuklearprogramm erkennen. Unter seiner Ägide – und der seines Mentors, des damaligen Präsidenten Mohammed Khatami – stornierte der Iran die Urananreicherung: ein Schritt zur Entwicklung der Atombombe. Dass Rohani nach seiner Wahl versicherte, das Land lasse sich von seinen Ambitionen zur friedlichen Nutzung der Atomenergie nicht abbringen, ist eine rhetorische Floskel und zugleich Zeichen der Kalmierung gegenüber Khamenei.

Reflexartig meldete auch Israel seine Skepsis über eine Wende im Atomkonflikt an. Die USA reagierten derweil vorsichtig positiv auf die Personalrochade in Teheran. Rohani ist gewiss ein angenehmerer und zivilerer Gesprächspartner für Barack Obama und seinen Außenminister John Kerry. Obamas Politik der ausgestreckten Hand gegenüber dem Iran fand ja nie ein Visavis. Das könnte sich jetzt schlagartig ändern. Von seinem Stil und seiner Prägung erinnert Rohani nämlich stark an Mohammed Khatami, das sanfte Antlitz des Mullah-Regimes. Von seinem Zuschnitt war dieser allerdings mehr Philosoph als Politiker, seine Initiative zum „Dialog der Zivilisationen“ füllte hauptsächlich internationale Gesprächsforen.


Wie einst Khatami verheißt auch Rohani eine leichte Öffnung des Landes. Mit ihrer Wahlempfehlung haben die Ex-Präsidenten Khatami und Ali Akhbar Rafsanjani ihrem Schützling Rohani den Weg ins Präsidentenamt geebnet. Bei Rafsanjani schwang dabei auch ein Revancheakt gegen Khamenei mit: Der Wächterrat hatte ihn aus fadenscheinigen Gründen von der Wahl ausgesperrt. Die „graue Eminenz“ Rafsanjani, der „Kardinal Richelieu“ des schiitischen „Gottesstaats“, zieht im Hintergrund die Fäden. Es bahnt sich ein Machtkampf an.

Die Freudenkundgebungen glichen einem Triumphzug. „Bye-bye, Ahmadi“, skandierten die Rohani-Anhänger erleichtert, die zu Zehntausenden auf die Straßen Teherans stürmten: mit Töpfen, Schlüsselbunden und lila Postern – den Farben der Rohani-Kampagne, die Erinnerungen an die „grüne Bewegung“ vor vier Jahren weckte, die das Regime niederkartätscht hatte. Es reichte ein Funke, um sie aus der Lethargie zu reißen, um die Hoffnung auf ein Ende der Repression wieder zu entfachen. Hassan Rohani hatte im Wahlkampf geschickt ihre Emotionen angesprochen, jetzt verspricht er die Freilassung der politischen Gefangenen. Für die Jungen und Frauen verkörperte ausgerechnet der einzige Kleriker im Kandidatenfeld eine Alternative zur konservativen Machtelite.

Geknebelt von den Sanktionen, gezeichnet von Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit fordern die Iraner das Establishment von Neuem heraus. Die Demokratiebewegung im Iran vollzieht sich in Wellen, und nach vier Jahren hat sich die Farbe der Hoffnung von Grün in Lila verwandelt.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Iran: Jubel über den "Scheich der Hoffnung"

Hassan Rohani hat die Präsidentenwahlen im ersten Durchgang für sich entschieden. Viele Bürger im Iran hoffen, dass der neue Staatschef eine diplomatischere Außenpolitik verfolgen wird.
Supporters of moderate cleric Hassan Rohani hold a picture of him as they celebrate his victory in Iran's presidential election on a pedestrian bridge in Tehran
Außenpolitik

Iran: Wahlsieger Rohani schlägt gemäßigte Töne an

Der künftige Präsident Hassan Rohani sieht einen Sieg der Mäßigung über den Extremismus. Von UNO, USA und Israel kommen bereits die ersten Forderungen.
HASSAN ROHANI
Außenpolitik

Rohani: Der Mann des Kompromisses siegt bei Iran-Wahl

Bei den Präsidentenwahl im Iran ging Hassan Rohani als klarer Sieger hervor. Der 64-Jährige kündigt einen versöhnlichen Kurs in der Atompolitik an.
Irans Regime Reformer kaltstellte
Außenpolitik

Präsidentenwahl: Wie Irans Regime Reformer kaltstellte

Die Iraner sollen heute einen Nachfolger für Mahmoud Ahmadinejad bestimmen. Zur Wahl stehen aber nur systemkonforme Kandidaten. So will das Regime Proteste wie 2009 verhindern. Bisher ging das Kalkül auf.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.