Botschafterinnen in Sachen Käse

Christiane Mösl, Dagmar Gross, Christina Nussbaumer und Eva Derndorfer
Christiane Mösl, Dagmar Gross, Christina Nussbaumer und Eva DerndorferDie Presse
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Die Milchwirtschaft ist traditionell männlich dominiert. Frauen sind dafür heute die Multiplikatorinnen: Sie bringen Käse unter die Leute.

Wer Käse liebt, muss leiden. Zumindest manchmal. Käsesommelière und Sensorikerin Eva Derndorfer etwa erzählt von einem Hof in den Marken, wo nicht nur eine Horde bellender Hunde sie verstörte, sondern auch ein Grubenkäse. „Der war so arg, so ein Schmerz! Das war über der Grenze.“ Solche Erlebnisse gehören dazu, wenn man sich mit Käse beschäftigt, die Zunge wird mitunter vor allem von extrem lang gereiften Käsen hart in Mitleidenschaft gezogen. Auch Dagmar Gross, ebenfalls Käsesommelière – sie und Derndorfer hatten sich im Kurs kennen gelernt –, entschlüpfte bei einer Käsefreakshow schon einmal das eine oder andere tief empfundene „Autsch“. Das Wort Käsefreak bezeichnete übrigens bei jener Veranstaltung nicht menschliche Besessene, sondern milchige Freaks – unter anderem gab es da einen Ziegenkäse zu verkosten, der lange im Ziegenmagen gereift war, was wiederum nicht unintensiv nach – nun... – schmeckte. Der Schmerz hat die Liebe zum Käse allerdings bei Dagmar Gross nicht nachhaltig gestört.


Ablöse. Gross und Derndorfer gehören zu jenen Frauen, die sich als Käse-Multiplikatorinnen sehen, als Botschafterinnen. „Erst vor Kurzem ist uns aufgefallen, wie viele Frauen in der Käsebranche heute an vorderster Front arbeiten, wir bringen Käse an die Leute, als Sommelièren, im Marketing“, sagt Dagmar Gross, in deren Elternhaus schon eine gewisse Käsekultur herrschte und die sich bereits im Teenageralter teure Bücher über Käse kaufte. „Bis vor wenigen Jahren war die Milch- und Käsebranche praktisch rein in männlicher Hand, wie früher beim Wein. Es sieht fast nach einer Art Ablöse aus, weil wir Frauen frei von alten Meinungen arbeiten.“

Und die Frauen in der Käsebranche sind eng vernetzt. Christiane Mösl, Heumilch-Verfechterin, ist genauso mit Gross und Derndorfer befreundet wie Christina Nussbaumer. Letztere ist Genusspädagogin, war zweimal Käsesommelière des Jahres – „Ich hab die Männerbranche geknackt“ – und unterrichtet am Wifi angehende Käsesommeliers. An der HLW Hallein hat sie das Fach „Käsekenner“ eingeführt. Und zwar bewusst als Freigegenstand: „Wie viel Wissen junge Leute aufsaugen, wenn etwas ohne Prüfungen abläuft!“ Am Käse liebt sie, dass alles ständig in Bewegung ist. „Jeder Jahrgang bei Käse ist anders. Jungen Leuten genau das zu vermitteln ist extrem spannend. Wenn die plötzlich ein eigenes sensorisches Vokabular entwickeln!“ Heumilch-Fachfrau Christiane Mösl war externe Prüferin bei den angehenden Käsekennern in Hallein und „erstaunt, was die alles wissen“. Schon Mösls Vater war Käser, „ich bin in einer Emmentaler-Käserei aufgewachsen, hab im Käsekeller Fangen gespielt“. Sie hat 2004 die Ausbildung zur Käsesommelière gemacht und tingelt nun durch die Lande, um Heumilch zu vermarkten. Der Name wurde erst in den Neunzigern eingeführt, erzählt sie, früher hieß es silofreie Milch. „Heumilch kann man so, wie sie aus der Kuh herauskommt, verarbeiten. Bei Silagemilch würden Sporen den Käse rissig machen, bilden sich Fehlaromen.“ Auf Messen hat Mösl immer Heu zum Riechen mit. Aus der international als Käseland geltenden Schweiz kommen mittlerweile neidische Blicke auf Österreich, „ich bekomme viele Anfragen von Schweizern, die bewundern, wie etabliert Heumilch bei uns ist“.

Die vier Käsesommelièren haben immer mehr zu tun. „Man merkt, wie sehr die Nachfrage steigt“, sagt etwa Dagmar Gross. „Wenn ich heute sage, ich bin Käsesommelière, springen die Leute total drauf an, wollen wissen, was dahintersteckt.“

Slow Food. Sensorikerin Eva Derndorfer, die seit 22 Jahren Vegetarierin ist und für die Milchprodukte deshalb auch persönlich eine große Rolle spielen, führt das gestiegene Interesse am Käse nicht zuletzt auf den Regionalitätsgedanken zurück – „der spielt uns sicher in die Hände“. Und Käse sei Slow Food aus sich heraus, „gereifter Käse muss einfach lang reifen“.

Reifen muss allerdings auch erst das Bewusstsein für Käse im Handel. „Die Leute an den Käsetheken im Supermarkt sind nicht geschult, da werden Käsewürfel zur Verkostung aufgelegt, und keiner kann dir sagen, was das ist“, beklagt Christiane Mösl. „Vom Handel erwarte ich schon gar nichts mehr“, sagt indes Christina Nussbaumer, „außer ich gehe in ein Spezialgeschäft“. „Aber auch im Fachhandel hab ich schon Camembert verlangt und Rotschmierkäse bekommen“, wirft Dagmar Gross ein. Viel zu tun gäbe es bei aller Weiterentwicklung auch noch in der Gastronomie. „Schlimm, wenn in der Spitzengastronomie mehr Schein als Sein ist“, meint Nussbaumer. „Wenn sich der Kellner mit der Riesenpfeffermühle, für die man fast einen zweiten zum Tragen braucht, von hinten anschleicht und bei einem Käseteller um 18 Euro sagt: „Darf ich eh?“. Bei den typischen Beigaben zum Käseteller – für Puristen ein Graus – gehen die Meinungen der Käsenetzwerkerinnen allerdings auseinander: Christina Nussbaumer macht Rotwein- oder Spätlesegelee mit ihren Schülern selbst und „will sie nicht verteufeln“. Christiane Mösl findet vor allem die fertigen süßen Senfsaucen nicht gut – „während man Mostarda in Italien nur zu manchen Hartkäsen serviert, gibt man den Senf bei uns mittlerweile völlig unreflektiert drüber“. Dagmar Gross reicht die Weinvielfalt zum Käse. Und Eva Derndorfer überrascht – „um den Süßwein auch mal zu ersetzen“ – mit der Kombination von reifen Bananen zu Hartkäse. Auch das ist Vernetzen.

Eine Anekdote, die Sensorikerin Derndorfer erzählt, beleuchtet den Zusammenhang zwischen Frauen und Käse übrigens etwas anders: „Eine Freundin aus Vorarlberg hat erzählt, dass in der Großvatergeneration die Ehefrau nach dem Käserindenwegschneideverhalten ausgewählt wurde.“ Eine Schnitt zu viel weg – eine Verschwenderin also, nicht zu gebrauchen. Eine andere hobelte zu wenig Rinde weg, „na, das wollte man auch nicht“. Wie halten es die Käsebotschafterinnen mit der Rinde? Nussbaumer: „Die Rinde ist der Absender des Käses – ich hab sie gern auf dem Teller.“

Käse kaufen

Pöhl am Naschmarkt, Stand 167, 1060 Wien; Mo–Fr, 9 bis 19 Uhr, Sa, 8-17 Uhr, www.poehlamnaschmarkt.at

Kaes.at, Karmelitermarkt; Sa, 8–13 Uhr; Naschmarkt, Sa 8–14 Uhr, www.kaes.at

Kasalm, Kaiser-Josef-Platz, Stand 14, 8010 Graz; Mo–Sa, 7–13 Uhr; www.kasalm.at

Käseglocke, Südbahnhofmarkt, Koje 17, 4020 Linz; Mo–Do, 8–17.30, Fr; 6–17.30, Sa 6–13 Uhr, www.kaeseglocke.at

Fredis Käslädele, Deuringstraße 9, 6900 Bregenz; Mo–Fr, 8.30–12.30, 15–18, Sa 8.30–13 Uhr, www.kaesefredi.eu

Käsehütte Stix, Wimm 6–7, 3672 Maria Taferl, Mi, Fr, Sa, 9–18, Do, 15–18, So, 13-18 Uhr. Mehrere Wochenmärkte – Infos unter www.kaesehuette.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2013)

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