Anlässlich sexueller Gewalt unter jugendlichen Häftlingen mahnt Bundeskanzler Faymann Justizministerin Beatrix Karl: „Nicht zur Tagesordnung übergehen.“
Wien/M.s./Apa. „Die Zustände sind unhaltbar, man muss sie verbessern.“ Dies sagte am Mittwoch Bundeskanzler Werner Faymann am Rande der Eröffnung der Wahlkampfzentrale der SPÖ in Wien. Die Vorkommnisse rund um schweren sexuellen Missbrauch innerhalb der Jugendhaft seien „nicht kleinzureden“ und „es zeigt sich, es ist kein Einzelfall“, erklärte er in Richtung von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP).
Er sei „überzeugt, ein verantwortungsvolles Regierungsmitglied macht das auch so“. Er, Faymann, stehe da „hinter ihr“, aber „ich erwarte klare Änderungen“. Indessen forderte die Sozialistische Jugend – wie am Dienstag schon die Grünen – Karls Rücktritt.
Einen „Skandal der Sonderklasse“ sieht BZÖ-Chef Josef Bucher. Er forderte Karl auf, unverzüglich eine „objektive Untersuchungskommission“ einzurichten. Diese solle auch die politische Verantwortung prüfen und zum Schluss Empfehlungen abgeben.
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim bekräftigte die Forderung, den unter Schwarz-Blau aufgelösten Jugendgerichtshof wieder zu errichten: „Diese erschütternden Missstände im Jugendstrafvollzug müssen gestoppt werden.“
Erneut Ruf nach weniger (U-)Haft
Die Jugendlichen müssten „so schnell wie möglich aus der Justizanstalt Josefstadt weg“, verlangte sein Parteikollege Otto Pendl unter Hinweis auf die Überfüllung der Anstalt im ORF-Radio. Wie „Die Presse“ exklusiv berichtete, will sogar die Justizwache selbst, dass die Jugendlichen von der Josefstadt wegkommen.
Die FPÖ wiederum ist dafür, zumindest eigene Vollzugsanstalten für Jugendliche einzurichten.
Indessen versprach der Leiter der von Karl eingesetzten Taskforce „Jugend-U-Haft“, Strafvollzugssektionschef Michael Schwanda, „über den Sommer“ Neuerungen zu erarbeiten, die für jugendliche Tatverdächtige zu Verbesserungen führen und im Idealfall ihre U-Haft vermeiden, aber jedenfalls verkürzen sollen. Nach seinen Vorstellungen sollen nach der Überstellung von Jugendlichen in eine Justizanstalt unverzüglich Vertreter der Jugendgerichtshilfe oder der Kinder- und Jugendanwaltschaft beigezogen werden.
Sie sollen vor allem an den Einvernahmen der Beschuldigten durch den Staatsanwalt bzw. den Haft- und Rechtsschutzrichter teilnehmen, der über die Verhängung der U-Haft entscheidet. Damit sollen Fälle wie jener des in einer Josefstädter Zelle missbrauchten 14-Jährigen verhindert werden. Schwanda möchte Möglichkeiten schaffen, jugendliche Verdächtige bis zum Prozess in betreuten Wohneinrichtungen bzw. im elektronisch überwachten Hausarrest unterzubringen. Wie berichtet, waren am Dienstag vier Fälle mutmaßlicher sexueller Gewalt in der Jugendhaft bekannt geworden: in Wien, Gerasdorf (Niederösterreich), Graz und Linz.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2013)