serie Lenzing ist nicht nur durch den Namen mit Österreich verbunden. Abzuwandern kommt für CEO Untersperger deshalb nicht infrage. Die Politik müsse dennoch aufhören, gegen die Industrie zu arbeiten. von nikolaus jilch
Wien/Lenzing. Die Welt, sie ist heute „globalisierter“ als früher. Das wird jedenfalls gerne behauptet. Aber Peter Untersperger weiß, was damit gemeint ist. Der heutige CEO von Lenzing war samt Familie zuvor einige Jahre in Indonesien, wo Lenzing ein Werk betreibt. Genauso wie in den USA, China und anderen aufstrebenden asiatischen Ländern – wo die Menschen hinauf wollen, möglichst flott. „Das Leben ist in Indonesien viel härter. Aber die Leute arbeiten hart“, erzählt Untersperger. Und fügt hinzu: „Europa muss sich da am Riemen reißen.“
„Mitarbeiter nicht zu ersetzen“
Lenzing ist Weltmarktführer bei Fasern, die zum Beispiel in Küchentüchern und Damenunterwäsche stecken. Fasern, die immer aus Holz (bzw. Zellstoff) hergestellt werden (siehe Bericht unten). Die Firma heißt wie der Ort, in dem sie vor 75 Jahren entstanden ist. Heute beschäftigt Lenzing rund 7000 Mitarbeiter in 60 Ländern, aber die Zentrale ist in Oberösterreich geblieben. Allein in der Forschungsabteilung arbeiten 160 Mitarbeiter an der Faser-Weiterentwicklung.
„Die Mitarbeiter und Anlagen, die wir in Lenzing haben – die kann man nicht einfach ersetzen. Wir sind hier hoch profitabel – auch weil wir den Rohstoff Holz mehrfach verwerten. So decken wir knapp 90 Prozent unseres Energiebedarfs über Biomasse“, so Untersperger. Aber wegen dieser guten Nachrichten sei noch lange nicht alles super im Industriestaate Österreich. Im Gegenteil: „Ganz ehrlich, ich frage mich manchmal, ob man in Österreich überhaupt Industrie will“, so Untersperger.
Mit „man“ meint er freilich die Politiker, die derzeit mitten im Wahlkampf stecken. Und da legen sie auch hie und da ein Bekenntnis zu industriefreundlicher Politik ab. „Aber das sind Sonntagsreden“, sagt Untersperger: „Umweltschutz, Wasserverordnung und so weiter: Auf alle EU-Forderungen legt der österreichische Staat noch ein Schäuflein nach. Ich komme mir vor wie in der Planwirtschaft.“ Und es sei die Summe der Maßnahmen, nicht „die einzelnen Stiche“, die der Industrie das Leben schwer machen. Wobei, ein „Stich“ geht auch bei Lenzing tief. Die eigene Biomasseversorgung kommt zwar ohne Förderung aus. Aber das gilt nicht für andere Biomassekraftwerke, in denen Holz verfeuert wird, das man auch in Lenzing brauchen könnte. Für Fasern.
Chancen bleiben ungenützt
Denn „dank“ der subventionierten Biomasse steigt der Holzpreis. Unangenehm auch für die Papierindustrie, die ebenfalls in Lenzing beheimatet ist. Der börsenotierte Konzern ist aus dem Geschäft zwar mittlerweile ausgestiegen. Aber ohne die alte Zellstofffabrik in Lenzing, die schon 1892 entstanden war, hätte es den heutigen Weltkonzern so wohl nie gegeben.
Die Biomasse-Subventionen sind nur ein Beispiel für eine Politik, die der Industrie die Arbeit erschwert. Aber ein wichtiges, so Untersperger: „Die Chancen werden nicht genützt in Österreich. Uns geht es nicht trotz des hohen Industrieanteils noch gut – sondern wegen der Industrie. Dort wo die Industrie geschrumpft ist, gibt es auch die höchsten Arbeitslosenquoten. Der Staat investiert immer weniger, es sind die Unternehmen, die Wachstum schaffen.“
Zumindest gibt es noch das duale Ausbildungssystem. Lenzing beschäftigt 180 Lehrlinge. Und über einen „Fachkräftemangel“, über den oft lamentiert wird, will man sich auch gar nicht beklagen. „Aber die demografischen Probleme führen schon langsam zu einer Lehrlingsqualität, die zu wünschen übrig lässt.“ Was dank der Gesetze des Marktes zumindest den motivierten Lehrlingen Chancen lässt. So bemühe sich Lenzing, den jungen Leuten aus der Region eine „sehr gute Bezahlung“ zu bieten.
Noch laufe alles gut in Oberösterreich, die Frage ist nur: wie lange noch? Es brauche endlich einen „klaren bundespolitischen Willen“, so Untersperger. „Und Beschlüsse, die auch die Länder mittragen: für Bildungsreform, für Verwaltungsreform, für eine Reform der Lohnnebenkosten und Sozialversicherungen. Andere Länder machen das: Schweden wird beim Wettbewerb immer besser.“
Lenzing bleibt
Österreich fällt eher zurück. Der Traditionsbetrieb wird wohl einer der letzten sein, der an Abwanderung ins Ausland denkt. Lenzing ist in Lenzing – wie der Name schon sagt. „Aber wenn die Forschungseinrichtungen einmal wegziehen, dann kommen sie nie wieder zurück. Und es hat schon angefangen. Gerade im Life-Sciences-Bereich hat es um Wien herum schon einige Schließungen gegeben.“
Auf einen Blick
Lenzing beherrscht heute 22 Prozent des Weltmarktes für Man-made-Zellulosefasern und beschäftigt rund 7000 Mitarbeiter in 60 Ländern. Der Konzern ist zu fast 70 Prozent in Besitz der B & C Privatstiftung. Fünf Prozent gehören der Oberbank – der Rest der Anteile befindet sich in Streubesitz. Peter Untersperger ist schon seit 1985 bei Lenzing. Seit 2009 ist er Vorstandsvorsitzender. Sein Mandat läuft bis 2016.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)