Österreichs Internetszene boomt. Jedes Jahr werden 500 Austro-Start-ups gegründet. Das notwendige Kapital für die Expansion finden sie hierzulande nur schwer.
Wien. Rund 200 Millionen Dollar kassierten die beiden Österreicher Roman Scharf und Daniel Mattes für den von ihnen gegründeten Online-Telefonanbieter Jajah. 2005 aus der Taufe gehoben, ging das Unternehmen nur vier Jahre später an die Mobilfunktochter O2 des spanischen Telekomkonzerns Telefónica. Scharf und Mattes sind Österreichs Internetpioniere und (Serien-)Gründer aus einer Zeit, in der man hierzulande mit der Idee einer Onlinefirma bei Kapitalgebern gar nicht erst vorstellig werden musste. Erst, als sie Österreich den Rücken kehrten, konnten sie ihre Idee verwirklichen.
Förderungen helfen beim Start
Mittlerweile hat sich das geändert. Die Internetszene in Österreich boomt. Jahr für Jahr werden etwa 500 Unternehmen im digitalen Bereich gegründet, schätzt I5invest, eine Brutstätte für junge Gründer in Österreich. Im Vorjahr wurden heimische Onlinefirmen im Wert von über einer halben Milliarde Euro verkauft.
Vor allem der Smartphone-Boom hat den Trend beschleunigt. Die Schwelle zum Unternehmertum ist stark gesunken, wie sich an zahlreichen Austro-Apps ablesen lässt. Dank der FH Hagenberg und TU Wien gibt es in Österreich jede Menge gut ausgebildete Entwickler, die auch das notwendige unternehmerischer Gespür mitbringen. Selbst der Wahlkalifornier Daniel Mattes hat die Entwicklungsabteilung seines neuen Unternehmens Jumio in Österreich belassen. Wer trotzdem in die USA will, kann sich an das Austrian Innovation Center Silicon Valley (AICSV) wenden, das heimische Firmen auf dem Weg ins Silicon Valley begleitet.
Verglichen mit den Nullerjahren haben sich auch die finanziellen Voraussetzungen für angehende Gründer stark gebessert. Es gibt zahlreiche Förderungen für innovative Start-ups. Die ersten Jahre kommen viele Unternehmen damit relativ gut über die Runden. Doch mit der Anschlussfinanzierung hapere es oft, sagt der Investor Oliver Holle von Speedinvest. Viele Gründer würden ihr Unternehmen zu früh verkaufen, weil sie sich die notwendige Expansion schlichtweg nicht leisten können.
Neun von zehn mit Bankkredit
In Österreich finanzieren sich immer noch neun von zehn jungen Unternehmern über einen Bankkredit. Ein Wert, der anderswo in Europa undenkbar wäre. Im Gegenzug sind alternative Finanzierungsformen in Österreich stark unterentwickelt. Zwar gibt es mittlerweile etliche staatliche und private Initiativen, die Jungunternehmern den Zugang zu Kapital erleichtern wollen. Doch allzu viel dürfe man sich hier nicht erwarten, warnt Markus Linder, Gründer von Smart Information Systems: „In Österreich muss man schon froh sein, wenn man von einem Business Angel 80.000 Euro bekommt.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2013)