Job Description Justizministerin: Starke Positionen, dialogbereit

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Wer in der nächsten Regierung an der Spitze des Justizressorts steht, muss Gestaltungswillen zeigen und darf sich nicht nur auf Schönwetter-PR verstehen.

Wie auch immer die amtierende Justizministerin aus ihrer tiefen Krise um die Haftbedingungen für Jugendliche in Österreich herauskommt: Spätestens die Wahlen im Herbst geben Anlass, über die bestmögliche Besetzung der Spitze des Ressorts nachzudenken. Es ist ja kaum ein Mensch auf diesem Planeten so überzeugt, wie Beatrix Karl sich gibt, dass auch nach dem Herbst Beatrix Karl im Palais Trautson regieren wird.

Wie also sollte der nächste Justizministerin – bleiben wir geschlechtsneutral – beschaffen sein, um jenes Ressort zu führen, das mehr denn je im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit steht? Das Gefühl sagt: Jemand mit größter Distanz zu den politischen Parteien muss her. Denn mit den Selbstbedienungspraktiken der Herrschenden aufzuräumen ist die wohl größte Herausforderung für die Justiz. Doch das Gefühl trügt. Das Justizressort ist für die politisch sensibelsten Materien verantwortlich, vom intensivsten staatlichen Eingriff in die menschliche Freiheit, dem Einsperren, über das Wohnen – ein Grundbedürfnis – bis zu intimen Fragen wie der Elternschaft für Homosexuelle.

Ein politisches Neutrum ist hier denkbar schlecht geeignet zu gestalten. Es braucht vielmehr einen Vollblutpolitiker, der a) Gestaltungswillen zeigt, b) Rückhalt in einem politischen Lager hat, um c) Themen setzen zu können. Das heißt noch lange nicht, dass ein blindwütiger Roter oder Rechter auf Teufel komm raus seine Standpunkte durchsetzen und die Gesellschaft nach seinem Geschmack umbauen soll. Das Recht, zu dessen Ausformung er berufen ist, soll ja Interessengegensätze lösen und nicht vertiefen. Aber die Ressortführung muss ihre eigenen Vorstellungen davon haben, welche Probleme angegangen werden müssen, wie sie selbst sie lösen würde und wie ein breitestmöglicher Konsens erzielt werden kann. Das erfordert neben starken eigenen Positionen den Willen zum Dialog.

Christian Broda, vormals Kommunist und der wohl größte Justizreformer der Zweiten Republik, war so jemand. Auch wenn man ihm vorwerfen konnte und musste, ungeniert in Strafverfahren eingegriffen zu haben: Er hatte seine Standpunkte, wie das Recht zu erneuern war, und er bemühte sich redlich, einen politischen Konsens darüber zu erzielen. Am Beispiel des damals, vor fast 40 Jahren, neuen Strafgesetzbuchs: Broda und sein Kanzler Kreisky wollten das große Reformwerk – es ersetzte vor allem kurze Freiheitsstrafen durch Geldstrafen und erweiterte die Möglichkeiten, Strafen bloß bedingt auszusprechen und Häftlinge bedingt zu entlassen – einstimmig durchs Parlament bringen; einzig und allein wegen der Fristenlösung – ethisch heikel genug – misslang das.

Nun sind die Zeiten für visionäre Politiker vielleicht schwieriger geworden. So schnell hat der sozialdemokratische Justizsprecher Hannes Jarolim vor einigen Wochen gar nicht schauen können, wie er nach seinem irrealen Vorschlag, „lebenslang“ abzuschaffen, von der eigenen Partei zurückgepfiffen wurde.

Doch es genügte ja schon, würde sich die Ressortführung darum kümmern, dass in Alltagskonflikten sauber Recht gesprochen werden kann. Seit Jahr und Tag ist zum Beispiel bekannt, dass das geltende Mietrechtsgesetz auf die banale Frage, ob der Vermieter oder der Mieter eine kaputte Gastherme austauschen muss, keine Antwort bietet. Hallo? Da wenigstens müsste doch auch nur mit einem Funken Gestaltungswillen und -kraft abzuhelfen sein. Eine gerechte Vergütung für Urheber im digitalen Zeitalter, wie eine große Mietrechtsreform in die nächste Legislaturperiode verschoben, wäre eine ähnlich dringende Aufgabenstellung.

Bloß – wie Karl – besser zu sein als die vorangegangene Ressortführung und bei Schönwetter PR zu betreiben, im Krisenmanagement aber zu versagen reicht als Qualifikation nicht. Ein politischer Kopf muss her, und je stärker er ist, umso mehr müsste er auch die Kraft für eine Neuausrichtung seiner eigenen Position aufbringen. Solange der Minister der Staatsanwaltschaft in konkreten Strafverfahren Weisungen geben kann, so lange wird ihm vorgehalten, die sonst unabhängige Justiz politisch beeinflussen zu können. Also sollte er – oder sie – die Weisungsbefugnis aufgeben.

E-Mails an: benedikt.kommenda@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)

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