Italien: Calderoli beleidigt Ministerin erneut

Calderoli beleidigt Ministerin erneut
Calderoli beleidigt Ministerin erneut(c) EPA (ETTORE FERRARI)
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Trotz seines Orang-Utan-Vergleichs und der noch verletzenderen „Entschuldigung“ will der Senats-Vizepräsident nicht zurücktreten.

DOMINIK STRAUB

Rom. Es kommt vor, dass eine Entschuldigung noch verletzender ausfällt als die vorausgegangene Beleidigung. Im Fall von Roberto Calderoli dürfte es sich freilich nicht um ein Versehen, sondern um Absicht gehandelt haben. Es tue ihm leid, die aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Integrationsministerin Cécile Kyenge mit einem Orang-Utan verglichen zu haben, sagte der italienische Politiker: Es habe sich „nicht um ein politisches Urteil gehandelt, sondern nur um ein ästhetisches“.

Calderoli zählt zu den Gründungsmitgliedern der Lega Nord und schreckt vor primitivsten Ausfälligkeiten nicht zurück. Nach dem Finalsieg der italienischen Fußballer bei der WM 2006 gegen Frankreich erklärte er, die Azzurri hätten nur deshalb gewonnen, weil der Gegner „mit Niggern, Muslimen und Kommunisten“ angetreten sei. Die Lega Nord war jahrelang Regierungspartner von Silvio Berlusconi; seit der Wahl im Februar sitzt sie in der Opposition.

„Minister für Simples“

2006 hatte es der damalige Reformminister für passend befunden, sich im Fernsehen in einem T-Shirt mit den Mohammed-Karikaturen zu produzieren, die gerade in der muslimischen Welt für große Aufregung sorgten. Vor Italiens Konsulat im libyschen Bengasi kam es in der Folge zu Protesten, die Polizei des damaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi schoss in die Menge, es gab elf Tote. Calderoli musste sein Ministeramt abgeben, wurde aber kurz danach zum Senatspräsidenten befördert. Ab 2008 war der Lega-Mann dann Minister für (bürokratische) Vereinfachung. Die Opposition bezeichnete ihn, sehr viel zutreffender, als „Minister für Simples“.

Nach seinen jüngsten Ausfällen gegenüber Cécile Kyenge ist die Aufregung groß: Premier Enrico Letta verteidigte seine Ministerin mit den Worten, Calderoli habe jede Grenze überschritten. Der sozialdemokratische Partito Democratico und andere Parteien forderten Calderoli auf, von seinem Amt als Senats-Vizepräsident zurückzutreten. Bisher hat er dies nicht getan.

Calderoli ist in der Lega Nord nicht der Einzige, der bewusst mit rassistischen Ausfällen jede Anstandsregel verletzt. Daniele Stival, Minister der Regionalregierung im Veneto, schrieb gestern auf seiner Facebook-Seite, dass Calderoli mit seinen Äußerungen nicht die Ministerin beleidigt habe, sondern die Orang-Utans. Der Euro-Parlamentarier Erminio „Obelix“ Boso erklärte am Tag der päpstlichen Lampedusa-Reise, dass er sich jedes Mal freue, wenn ein Flüchtlingsschiff untergehe. Die Brachial-Parolen verfangen in der Bevölkerung Norditaliens jedoch nicht mehr wie einst: Bei der Parlamentswahl vom Februar erlitt die Lega Nord ein historisches Debakel. Ihren Frust arbeiten die „Grünhemden“ nun vor allem an der ersten schwarzen Ministerin Italiens ab.

Morddrohungen für Ministerin

Sie erhalte seit ihrer Vereidigung im April praktisch täglich Morddrohungen, erklärte Kyenge zudem gestern in der Zeitung „Corriere della Sera“. Zu Calderoli wollte sie nicht viel sagen: Wenn er nicht in der Lage sei, sein Unbehagen auf korrekte Art zu formulieren, dann soll er sein hohes Amt besser an jemanden abtreten, der dies könne. Und: „Die Äußerungen schmerzen mich nicht wegen meiner Person. Sie schmerzen mich wegen des Bildes, das dadurch in der Welt von Italien entsteht.“

Zur Person

Cécile Kyenge ist in Italiens neuer Regierung Ministerin für Integration. 1983 wanderte sie aus der Demokratischen Republik Kongo nach Italien ein. Sie studierte Medizin in Rom und absolvierte in der Folge ihre Ausbildung zur Fachärztin in Augenheilkunde an der Università di Modena e Reggio Emilia. [Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2013)

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