Syrien: Schmuggelkrieg an türkischer Grenze

Syrien Schmuggelkrieg tuerkischer Grenze
Syrien Schmuggelkrieg tuerkischer Grenze(c) Reuters
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Im Ringen um lukrative Schmuggelrouten und Hilfslieferungen kämpfen syrische Rebellenmilizen immer heftiger gegeneinander statt gegen die Armee von Bashar al-Assad.

[ISTANBUL] Die Schmuggler müssen sich ihrer Sache sehr sicher gewesen sein. Zwischen 2500 und 3000 Männer tauchten kürzlich nachts an der türkischen Grenze zu Syrien nahe der Stadt Reyhanli auf. Das Schmugglerheer wollte eine größere Ladung Dieseltreibstoff aus Syrien über die Grenze in die Türkei schaffen. Als sie von türkischen Grenzsoldaten bemerkt wurden, brach ein stundenlanges Feuergefecht aus, bei dem die Schmuggler laut Armee von den Bewohnern eines türkischen Grenzdorfes unterstützt wurden. Am Ende mussten sich die Schmuggler zwar zurückziehen, doch die Armee hatte 18 Verwundete zu versorgen.

Seit Anfang Juli hat die türkische Armee nach eigenen Angaben rund 400.000 Liter geschmuggelten Treibstoff an der Grenze zu Syrien beschlagnahmt. Viele Schmuggler wurden festgenommen, allein seit Anfang August gab es 2800 Festnahmen, wie der Generalstab in Ankara mitteilte. Immer wieder gibt es bewaffnete Zusammenstöße zwischen Schmugglern und Soldaten, denn die illegalen Exporte aus Syrien sind ein großes Geschäft. Auch Zigaretten werden im großen Stil geschmuggelt.

Schmutziger Kampf um Ölvorräte

Selbst in Friedenszeiten ist eine mehr als 900 Kilometer lange Grenze nicht hundertprozentig zu überwachen. Der Krieg im benachbarten Syrien hat die Lage in der Grenzregion aber deutlich verschärft. Das zunehmende Chaos hat viel mit inneren Spannungen bei den syrischen Rebellen zu tun, die gegen Präsident Bashar al-Assad kämpfen, meint Oytun Orhan, Nahost-Experte bei der Denkfabrik Orsam in Ankara.

„Die Kämpfe in Nordsyrien sind zu einem schmutzigen Krieg zwischen bewaffneten Gruppen geworden", sagte Orhan gegenüber der „Presse" in Istanbul. Statt gegen Assads Truppen vorzugehen, kämpfen verschiedene Oppositionsmilizen gegeneinander um die Kontrolle über Schmuggelrouten und Erdölvorräte. Auch die Verteilung von internationalen Hilfsgütern in Syrien selbst ist zum illegalen Geschäft geworden, um das Gruppierungen mit Waffengewalt streiten.

Hilfsgüter landeten in Türkei

Zudem steht der Verdacht im Raum, dass Hilfsgüter für das Bürgerkriegsland Syrien nicht an Bedürftige verteilt werden, sondern illegal in die Türkei gebracht und dort verkauft werden: Seit Anfang August hat die türkische Armee nach Angaben des Generalstabs in Ankara mehr als 20 Tonnen an Lebensmitteln beschlagnahmt, die aus Syrien kamen. Der Schmuggel laufe über bewaffnete Gruppen und mächtige syrische Clans, sagte Orhan.

Für die Türkei bedeutet dies die Entstehung eines neuen Krisenherdes an der Grenze, die ohnehin schon instabil ist. Rund eine halbe Million Flüchtlinge sind seit Beginn der Unruhen in Syrien im März 2011 in die Türkei gekommen. Gleichzeitig erlaubt Ankara den syrischen Rebellen, ihren Kampf gegen Assad von der Türkei aus zu organisieren. Viel ist vom zunehmenden Einfluss radikal-islamischer Gruppen in der Region die Rede. In Nordsyrien beobachtet die Türkei zudem wachsende Autonomiebestrebungen der dortigen Kurden.

Zum Schmuggel kommt noch Krach zwischen der türkischen Armee und der Bevölkerung in den Grenzdörfern. So berichtete der Generalstab, bei dem kürzlichen Feuergefecht mit den Diesel-Schmugglern hätten Dörfler die Soldaten mit Steinen und Molotowcocktails beworfen und mit Flinten beschossen. Dagegen sagte Hasan Cemiloglu, Ortsvorsteher des Grenzdorfes Kusakli, die Soldaten hätten die Ortschaft „wahllos" unter Beschuss genommen und ein Kind verletzt. Daraufhin habe es Auseinandersetzungen gegeben.

Erdoğan alarmiert die UNO

Angesichts der schwierigen Lage an der Grenze verstärkt die Türkei ihre Bemühungen, die UNO zur Intervention zu bewegen. Erst vor einigen Tagen telefonierte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan deshalb mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Lage in Syrien werde allmählich zu einer Bedrohung der Sicherheit der Türkei, sagte Erdoğan nach Presseberichten.

Putin aber blieb hart und schloss eine Unterstützung für eine UN-Resolution nach den Wünschen Ankaras aus. Die Türkei wird auch weiterhin allein mit den Problemen an der syrischen Grenze zurechtkommen müssen.

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