Nahost: Wie die Friedenslösung aussehen könnte

U.S. Chairman of the Joint Chiefs of Staff, General Dempsey and Israel's armed forces chief Major-General Gantz salute during an honour guard ceremony at the Defence Ministry in Tel Aviv
U.S. Chairman of the Joint Chiefs of Staff, General Dempsey and Israel's armed forces chief Major-General Gantz salute during an honour guard ceremony at the Defence Ministry in Tel AvivREUTERS
  • Drucken

Ob Status von Jerusalem oder Rückkehrrecht für Palästinenser: Bei den am Mittwoch beginnenden Gesprächen geht es um hochsymbolische Fragen. Viele Lösungsmodelle liegen längst auf dem Tisch.

Damit hat es John Kerry auf den Punkt gebracht: Es gehe um „komplizierte, emotionale und symbolische Fragen“, sagte der US-Außenminister unlängst zum Auftakt der ersten Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern seit drei Jahren. Wobei: Eigentlich soll das, was am Mittwoch in Jerusalem fortgesetzt wird, nur unter dem Titel „Gespräche über Gespräche“ firmieren, wie alle Seiten versichern, um die Erwartungen aus taktischen Gründen niedrig zu halten.

Kompliziert sind die Fragen vor allem, weil sie emotional und symbolisch sind. Denn die Eckpunkte einer Friedenslösung liegen auf dem Tisch, bei einzelnen Themen konnte in der Vergangenheit schon fast eine Einigung erzielt werden. Kern aller Modelle ist die Zweistaatenlösung: Israel zieht sich aus einem Großteil des Westjordanlandes und Ostjerusalems zurück, für annektierte Gebiete erhält der Palästinenserstaat territoriale Kompensation, etwa im Negev.


• Grenzverlauf und Siedlungen: Israel weigert sich, die Grüne Linie von 1967 – also vor dem Sechstagekrieg – als Grundlage für Verhandlungen anzuerkennen. Premier Benjamin Netanjahu lehnt aber einen Landtausch nicht ab. Und ein Tausch würde als Basis letztlich diese Linie haben. Freilich gibt es eine zweite Linie, die Fakten geschaffen hat: Israels Sperrwall, der sich nur zu etwa einem Fünftel mit der Grünen Linie deckt und teilweise beträchtlich abweicht. Er schließt etliche Siedlungen mit ein, die Israel eingemeinden dürfte. Wie viele Siedler außerhalb der großen Blöcke zwischen den 2,1 Millionen Palästinensern im Westjordanland leben und umsiedeln müssten, ist umstritten. Die NGO „Frieden jetzt“ geht von 70.000 aus.

• Jerusalem: In einer Friedenslösung wäre der Westteil Hauptstadt Israels, der Ostteil diejenige Palästinas. Das will vorab kein israelischer Politiker zugeben, man hält offiziell am ungeteilten Jerusalem fest. Ex-Botschafter Avi Primor räumte indes nach seiner aktiven Zeit ein, dass es letztlich eine Teilung geben werde, 2000 und 2007 verhandelte Israel auch darüber. Eine Teilung wäre nichts rasend Neues: Von 1948 bis 1967 war genau das der Fall. Für die Altstadt mit der den Juden heiligen Klagemauer und dem Tempelberg mit den muslimischen Heiligtümern (Aksa-Moschee, Felsendom) müsste es wohl eine Sonderlösung geben.

• Palästinensische Flüchtlinge: Ihre Zahl ist umstritten. Beim UN-Hilfswerk UNRWA sind rund fünf Millionen registriert. Die meisten sind Nachkommen der 1948 geflohenen 650.000 Palästinenser. Von Letzteren sind nach Schätzungen nur mehr 30.000 am Leben. Gelegentlich ist auch von sechs Millionen und mehr (ursprüngliche Flüchtlinge und Nachkommen) die Rede. Wie viel es auch immer tatsächlich sind: Sie werden nicht nach Israel zurückkehren können. Es wäre mit dessen Charakter und Selbstdefinition als jüdischer Staat unvereinbar. Die mögliche Lösung: Eine symbolische Zahl kehrt tatsächlich nach Israel zurück, der Rest erhält Entschädigung und zieht ins Westjordanland oder verbleibt in den Aufnahmeländern wie Jordanien oder dem Libanon. Auch wenn die Palästinenser offiziell auf dem Rückkehrrecht beharren, deuteten sie in der Vergangenheit hier Kompromissbereitschaft an.


• Bleibt die Frage der Sicherheit:
Israel ist von der Geografie her sehr verwundbar, Premier Netanjahu pochte daher immer auf einen demilitarisierten Palästinenserstaat mit am Jordan stationierten israelischen Soldaten. Dies ist für die Palästinenser nicht annehmbar, da es ihre Souveränität zu stark beschneiden würde. Eine Lösung könnte eine internationale Friedenstruppe sein, doch ob Israel nach der Golan-Erfahrung dazu bereit ist, ist fraglich.

Die Alternativen sind alle problematisch: Eine Einstaatenlösung würde dem Charakter Israels als jüdischen Staates ein Ende bereiten. Und die sogenannte Dreistaatenlösung, die zuletzt wieder gelegentlich angeführt wurde (Gazastreifen an Ägypten, Großteil des Westjordanlandes an Jordanien), kommt weder für Kairo noch für Amman infrage – und am allerwenigsten für die Palästinenser.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Nahost Heute werden Friedensgespraeche
Außenpolitik

Nahost: Friedensgespräche an geheimem Ort begonnen

Israelis und Palästinenser verhandeln in Jerusalem. Doch neue Gewalt und der Siedlungsausbau überschatten das Treffen.
Freed Palestinian prisoner Annatsheh is greeted by his mother upon his arrival in the West Bank city of Ramallah
Außenpolitik

Vor Nahost-Gesprächen: Israel lässt Palästinenser frei

In der Nacht bejubelten Tausende die Ankunft entlassener Häftlinge im Gazastreifen und Westjordanland. Heute wird in Jerusalem weiter über einen Nahost-Frieden verhandelt.
MIDEAST ISRAEL NETANYAHU
Außenpolitik

Radikale Opposition im eigenen Lager

Israels Premier Netanjahu kämpft mit der Siedlerlobby, Palästinenserchef Abbas mit der Hamas, dem allgemeinen Unmut und mangelnder Legitimität.
Leitartikel

Kerry hat keine Chance im Nahen Osten, aber er nützt sie

Die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis ist den Versuch wert. Doch hoffentlich gibt es einen Plan B für den Fall des Scheiterns.
USA POLITICS KERRY FAITH
Außenpolitik

EU-Boykott, Syrien, Ägypten: Kerry nutzt die Ungunst der Stunde

Der Druck auf Israel steigt, mit den Palästinensern Frieden zu schließen. Das macht sich Amerikas Außenminister zunutze.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.