Studie

Zehn Prozent der Österreicher sind harte Wissenschaftsskeptiker

Die Studie ist zum Höhepunkt der Corona-Pandemie beauftragt worden, als Demos der Maßnahmengegner wöchentlich stattfanden.
Die Studie ist zum Höhepunkt der Corona-Pandemie beauftragt worden, als Demos der Maßnahmengegner wöchentlich stattfanden.IMAGO/SEPA.Media
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Das Phänomen sei aber nicht so ausgeprägt wie oftmals angenommen, sagen die Autoren einer neuen Studie.

Verbale Angriffe und Drohungen gegen Wissenschaftler, Verbreiten von Verschwörungstheorien, Impfskepsis – was sich in den Pandemiejahren in Österreich zeigte, schien die Ergebnisse einer EU-weiten Umfrage aus dem Jahr 2021 zu unterstreichen. 30 Prozent der Österreicher vertrauen der Wissenschaft laut der Studie kaum, das sei vor allem im EU-Vergleich ein besorgniserregender Wert, lautete zumindest der mediale Tenor.

Im Herbst 2022 gab Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) daraufhin eine eigene Studie beim Institut für Höhere Studien in Auftrag. Zum einen sollte untersucht werden, wie ausgeprägt Wissenschafts- und Demokratieskepsis in Österreich tatsächlich sind, zum anderen sollten die Ursachen dafür untersucht werden. Nun stehen die Ergebnisse fest und es gibt eine gute Nachricht: Dass sich Österreich im EU-Vergleich unter den besonders wissenschaftsskeptischen Ländern befindet, würden die Daten nicht bestätigen, sagt Studienleiter Johannes Starkbaum. Es gebe in Österreich zwar „definitiv eine Neigung zu Kritik und Skepsis gegenüber Wissenschaft und Demokratie“, das Phänomen sei aber nicht so ausgeprägt wie oftmals angenommen.

Gemessen hat das Forscherteam das anhand der Zustimmung zu vier Aussagen, die dem derzeitigen wissenschaftlichen Konsens in den Bereichen menschengemachter Klimawandel, Evolutionstheorie, Erzeugung von Viren und Zurückhalten von Heilmittel gegen Krebs widersprechen. „Viren wurden in staatlichen Laboren erzeugt, um unsere Freiheit zu kontrollieren“ – zum Beispiel. „Österreich liegt bei der Zustimmung zu diesen Aussagen zwar im EU-27-Mittelfeld, allerdings stimmt ein wesentlicher Teil der Bevölkerung – je nach Aussage 21 bis 31 Prozent – zumindest einer dieser Gegenkonsens-Aussagen zu“, sagt Starkbaum. Neun Prozent halten drei der vier Aussagen, ein weiteres Prozent alle vier Aussagen für zutreffend. Für Starkbaum gehören diese Menschen zum „Kern der systematisch skeptischen Personen, die die Wissenschaft grundsätzlich über mehrere Bereiche hinweg ablehnen.“

Überraschend sei selbst für die Forscher gewesen, dass diese zehn Prozent sich quer über alle Bevölkerungsgruppen verteilen. Es gibt also kein Modell des einen typischen Wissenschafts- und Demokratieskeptikers. Eine Häufung der Merkmale sei allerdings bei jüngeren Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau, die unzufrieden mit dem eigenen Leben sind und politisch eher rechts stehen, zu beobachten. Frauen und Personen, die in einer Großstadt wohnen, stimmten den wissenschaftsskeptischen Aussagen tendenziell etwas häufiger zu.

Viel deutlicher ausgeprägt als systematische Skepsis oder mangelndes Vertrauen in die Wissenschaft ist in Österreich laut Studie aber das Desinteresse daran. Und: Während das Vertrauen in die Wissenschaft in den jüngst vergangenen Jahren relativ konstant geblieben ist, hat die Zufriedenheit mit der Demokratie kontinuierlich abgenommen. Sie liegt aber immer noch etwas über dem EU-Durchschnitt.

Ein nationaler Habitus

Warum ist das alles so? In der österreichischen Geschichte gebe es immer wieder Phasen der geringen Unterstützung und auch Unterdrückung von Wissenschaft, halten die Studienautoren fest und nennen etwa Gegenreformationen, Ständestaat und Nationalsozialismus als Beispiele. Das alles habe einen nationalen Habitus geprägt, der Wissenschaft als Beitrag zur Selbstaufklärung und zur demokratischen Praxis erschwert.

Auch die Wissenschaft kritisieren die Forscher. Die Wissenschaft vermittle der Bevölkerung ihre Tätigkeit nur eingeschränkt. Außerdem reflektiere sie zu wenig darüber, dass Forschungsergebnisse widersprüchlich sein können. Das habe etwa bei der Frage nach Schulöffnungen oder -schließungen in der Pandemie für Verwirrung gesorgt, so Starkbaum.

Polaschek, der Wissenschaftsskepsis für „eine Bedrohung unserer freien, demokratischen Gesellschaft“ hält, sieht sich nun selbst am Zug. Auf Basis des neuen Datenmaterials werde man nun den bereits bestehenden Zehn-Punkte-Plan des Ministeriums gegen Wissenschaftsskepsis anpassen und zusätzliche Initiativen überlegen. Starkbaum regt dazu an, die zehn Prozent der systematischen Skeptiker nicht zu ignorieren. Nur werde man sie mit klassischer Wissenschaftskommunikation nun einmal nicht erreichen können. Hier brauche es andere Maßnahmen.

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