Junge Forschung

Versteckte Muster verstehen

Für Lukas Spiegelhofer ist Mathematik die Grundlage des Universums. 
Für Lukas Spiegelhofer ist Mathematik die Grundlage des Universums. Marija-M. Kanizaj
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Der Zahlentheoretiker Lukas Spiegelhofer erforscht die Bedeutung sogenannter Pseudozufallszahlen für numerische Simulationen und Verschlüsselungen. 

Quersummenrätsel und Zahlenpyramiden können unterhaltsam sein. Aber auch Bestandteil tiefgreifender zahlentheoretischer Überlegungen. „Die hier auftretenden Fragestellungen sind oft leicht zu formulieren und schwer zu beantworten“, sagt Lukas Spiegelhofer. Er ist Senior Scientist am Department für Mathematik und Informationstechnologie der Montan-Uni Leo­ben. In seiner Forschung spielen Pascalsche Dreiecke eine Rolle. „Ihr Prinzip ist simpel: Eine Pyramide beginnt mit einem Einser an der Spitze. Jede in ihr enthaltene Zahl ist die Summe der Ziffern, die links und rechts über ihr stehen. An den Seiten ergeben sich stets Einser.“ Auf diese Weise lassen sich binomische Formeln aufstellen und grafisch darstellen. Ab einer gewissen Größenordnung ist es mit der Spielerei allerdings vorbei.

Theoretisch lassen sich diese Additionen nach unten unendlich fortsetzen. Die spezifische Markierung der Zahlen – der ungeraden in einer bestimmten Farbe, der durch zwei teilbaren in einer anderen, der zweimal durch zwei teilbaren in einer dritten und immer so fort – macht viele komplizierte Muster sichtbar. „Diese formen trotz der Einfachheit der zugrundeliegenden Vorschrift ein hochkomplexes Bild, in dem Fraktale von Fraktalen vorkommen.“

Zauber der Zahlen

Dies sei für die Mathematik ebenso wie für die Physik, Statistik und Informatik relevant, sagt Spiegelhofer. Unter anderem seien die Muster eng mit der auf Nullern und Einsern basierenden Binärdarstellung verknüpft, mit der Computer arbeiten. „Es ist sogar so, dass man die Addition zweier binärer Zahlen nur vollständig verstehen kann, wenn man diese Muster versteht.“ Damit wiederum hängen Verschlüsselungsmethoden und Internetsicherheit zusammen. Für seine Arbeiten zur Ziffernentwicklung und Kryptografie wurde der 38-Jährige heuer mit dem Edmund-und-Rosa-Hlawka-Preis der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ausgezeichnet.

Zahlen haben ihn früh fasziniert. „Als Kindergartenkind habe ich einmal einen 13-stelligen Code von einer Verpackung aus dem Altpapier gefischt, auswendig gelernt und nie vergessen. Da wurden meine Eltern auf mein Interesse aufmerksam und haben es gefördert.“ An den bunten Taschenrechner mit aufklappbarem Stiftefach unter dem Weihnachtsbaum denkt er heute noch gern zurück. „Meinen eigenen Kindern, jetzt eineinhalb und fünf Jahre alt, möchte ich ebenfalls einen angstfreien Umgang mit Mathematik mitgeben.“

»Additionen binärer Zahlen lassen sich erst durch das Verständnis der Muster in Zahlendreiecken vollständig begreifen.«

Lukas Spiegelhofer

Mathematiker

Eine weitere Weiche stellte ein Lehrer, der ihm einen Einführungsband in die Zahlentheorie gab. Bei einem der Autoren, Johannes Schoißengeier, studierte er später an der Uni Wien Mathematik. Nach einem Umweg über die Physik. „Zuerst habe ich die Eleganz der Mathematik in der Natur gesucht. Aber da sie mir im Physikstudium rein als Werkzeug präsentiert wurde, habe ich es bald aufgegeben. Für mich ist Mathematik die Grundlage des Universums.“ Promoviert hat er an der TU Wien, mit Doktorvater Michael Drmota arbeitet er nach wie vor zusammen. „Er hat mir viel Freiraum für ,Spinnereien‘ gelassen.“ Im Anton Zeilinger’schen Sinne wohlgemerkt: „Ideen nachzugehen, ohne Irrwege zu scheuen, bringt die Forschung voran.“ Für deren inspirationsgetriebenen Teil würden sogar Papier, Bleistift und ein feiner Platz im Schatten eines Baumes genügen. „Die restlichen 99 Prozent sind aber harte Arbeit.“

In einem FWF-Projekt befasst sich Spiegelhofer gerade mit Quersummen weit auseinanderliegender Zahlen. „Was passiert, wenn man die Quersumme jeder elften oder jeder hundertdreiundfünfzigsten Zahl auswertet oder wenn die Abstände in jedem Schritt größer werden?“ Die sich daraus ergebenden sogenannten Pseudozufallszahlen weisen einige Parallelen mit echten Zufallszahlen auf, sind aber aufgrund ihrer Reproduzierbarkeit keineswegs zufällig. „Deshalb eignen sie sich gut für numerische Simulationen oder Verschlüsselungen.“

Erholung findet der Forscher beim Nachsinnen über die Ästhetik mathematischer Motive in der Natur und Musik oder beim gelegentlichen Aufsuchen einer Kirche.

Zur Person

Lukas Spiegelhofer (38) studierte an der Uni Wien Mathematik mit Schwerpunkt Zahlentheorie. Seine Doktorarbeit schrieb er an der TU Wien und an der Université d’Aix-Marseille (F). Es folgten Stationen an der Université de Lorraine und der JKU Linz. Seit 2020 ist er an der Montan-Uni
Leoben tätig, seit 2022 als Senior Scientist.

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