Die Kehrseite der freiheitlichen Nächstenliebe

Kehrseite freiheitlichen Naechstenliebe
Kehrseite freiheitlichen Naechstenliebe(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die FPÖ profitiert normalerweise von negativen Schlagzeilen. Die aktuelle Facebook-Affäre hätte sie sich aber wohl lieber erspart.

Auf den ersten Blick gibt es eher spärliche Verbindungen der freiheitlichen Partei zu jener ungustiösen Facebook-Gruppe, die am Mittwoch aufgeflogen ist. Ja, einige Spitzenfunktionäre waren Mitglied der Gruppe, aktiv an den Diskussionen beteiligt dürften sie sich aber nicht haben. Und ja, einige Funktionäre der dritten Ebene haben sich aktiv beteiligt, aber auch von diesen sind zumindest bisher keine verwerflichen Äußerungen bekannt. Zumindest strafrechtlich dürfte für FPÖ-Politiker da nichts hängen bleiben.

Aber die strafrechtliche Ebene ist nicht die einzige, die es zu beachten gibt. Es ist schon interessant zu beobachten, in welchem Umfeld sich freiheitliche Funktionäre bewegen. Was denkt sich so ein FPÖ-Politiker, wenn er in einer Facebook-Gruppe, die sich „Wir stehen zur FPÖ“ nennt, von einem „Muslime-Scheißhaufen“ liest, der „mit Benzin übergossen und angezündet“ gehört? Oder von Juden, die einen Dritten Weltkrieg anschüren? Denkt er sich da: „Ein bisserl radikal halt, die Burschen“? Oder: „Ein Schwachkopf, aber unser Schwachkopf“? Oder gar: „Hat eh recht, aber so offen darf man das doch nicht sagen“?

Für die FPÖ ist die Affäre jedenfalls unangenehm. Denn sie durchbricht eine bewährte Strategie im Umgang mit dem Ausländerthema: die Strategie der Andeutungen und der doppeldeutigen Aussagen. Am Beispiel der aktuellen Nächstenliebe-Plakate: Natürlich wissen alle, dass die eigentliche Botschaft nicht lautet, die FPÖ liebt die Österreicher, sondern sie hat etwas gegen Zuwanderer. Die Gegner der FPÖ wissen es und versuchen mit oft untauglichen Mitteln, die Doppeldeutigkeit aufzudecken. Und auch die Anhänger wissen, was eigentlich gemeint ist. Manches muss gar nicht mehr ausgesprochen werden.

Wenn man dann glaubt, unter sich zu sein, wird Klartext gesprochen. In einer geschlossenen Facebook-Gruppe, zu der nur Hardcore-Fans Zutritt haben, braucht man rassistische Einstellungen nicht mehr diplomatisch verbrämen, da kann man offen sagen, was man sich so über Muslime oder Ausländer im Allgemeinen denkt. Wenn Parteichef Heinz-Christian Strache jetzt wild um sich schlägt und von einer Verschwörung der Medien und Parteizentralen gegen die Freiheitlichen fantasiert, dann ist das mit zunehmender Nervosität erklärbar. Denn es läuft in diesem Wahlkampf gar nicht gut für die FPÖ.

Hauptgrund dafür ist das Auftreten von Milliardär Frank Stronach als neuem Mitbewerber: Stronach ist Strache minus das Ausländerthema. Er spricht in erster Linie jene an, die von traditioneller Politik enttäuscht sind – ein Wählerspektrum, mit dem vorher die FPÖ ihre Wahlerfolge eingefahren hat.

Die Folgen hat man bei den Landtagswahlen im heurigen Frühjahr gesehen: Die Freiheitlichen haben überall für sie enttäuschend abgeschnitten. Und auch die Erwartungen für die Nationalratswahl am 29.September sind bescheiden geworden: Keine Rede mehr von einem Kanzlerduell, der Anspruch, Nummer eins zu werden, wurde längst aufgegeben.

Strache hat in der Folge der verlorenen Landtagswahlen auch viel von seinem Nimbus eingebüßt: Man hat bei der Ablöse der niederösterreichischen Landeschefin Barbara Rosenkranz gesehen, wie schwer er sich in der eigenen Partei durchsetzen kann. Und man hat gesehen, wie wenig Substanz diese Partei hat – personell wie auch geistig. Immerhin ist man mit Martin Graf eine potenzielle Belastung losgeworden. Der Dritte Nationalratspräsident hätte die FPÖ im Wahlkampf angreifbar gemacht – nicht so sehr wegen seiner Rechts-außen-Gesinnung, sondern wegen der Vorwürfe, er habe eine alte Dame um ihr Vermögen gebracht.

Die Facebook-Gruppe ist für die FPÖ mehr als unangenehm, weil sie die Strategie durchbricht, das Ausländerthema nicht mehr offensiv anzusprechen. Im Gegensatz zu früheren Affären wird es diesmal auch kaum gelingen, den Spieß umzudrehen und aus den Vorwürfen gegen die FPÖ auch noch Profit zu schlagen. Im Gegenteil: Jene, die Stronach wählen wollen, weil sie Strache für zu radikal halten, werden jetzt noch bestärkt sein. Für die FPÖ bedeutet das einen weiteren Dämpfer.

E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2013)

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