Bioenergie: Schöner scheitern

Bioenergie Schoener scheitern
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360 Grad: Jahrelang war Güssing der Vorzeigeort für die Zukunft der Energieversorgung. Gelernt hat man vor allem, wie es nicht funktioniert.

Es ist nicht das beste Fotomotiv, das es in Güssing gibt. Die 1157 errichtete Burg ist zweifellos schöner – vor allem, wenn sie sich unten im Teich spiegelt, wenn er frühmorgens fast spiegelglatt in der weitläufigen Landschaft liegt. Oder die Stadtkirche, im Jahr 1200 erbaut. Sogar die Altstadt mit den bunten Häusern hat ihren Reiz.

Wo aber fuhren Menschen hin – vor allem Politiker, sogar welche aus den USA –, wenn sie sich in Güssing fotografieren lassen wollten? Sie fuhren hinaus zum Biomassekraftwerk, das vor den Toren der Stadt liegt, unscheinbar und wenig beeindruckend. Dieses kleine Kraftwerk machte den Ort weit über das Burgenland hinaus bekannt.

Das Biomassekraftwerk in Güssing war im Jahr 2000 das erste seiner Art, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Hier konnte man die Zukunft der Energieversorgung in Aktion erleben und von einer Welt ohne Öl und Erdgas träumen, in der alle Energie aus erneuerbaren Quellen stammt: in dem Fall eben Holz.

Heute ist das Biomassekraftwerk vor allem Zeugnis dafür, wie die Energiewende nicht funktionieren kann. Der steigende Holzpreis hat das Strom-Wärmekraftwerk, in das man so viele Hoffnungen gesetzt hatte, finanziell in eine missliche Lage gebracht. Eine gestrichene Steuerförderung gab dem Projekt im Juli den Todesstoß. Das Kraftwerk schlitterte in die Insolvenz, derzeit läuft es auf Sparflamme, im Oktober wird sich entscheiden, ob es weitergeführt wird oder nicht.


Das Problem des Vorreiters. „Keine Frage, wir haben Fehler gemacht“, sagt Reinhard Koch, Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für erneuerbare Energie in Güssing und Betreiber mehrerer Energieerzeugungsanlagen in der Region. „Aber es ist viel passiert, das wir nicht beeinflussen konnten.“ Man habe auch dafür bezahlt, Vorreiter im Bereich der Ökoenergie in Österreich gewesen zu sein. Und wie man dafür bezahlt hat.

Da die Gemeinde aufgeschlossen und innovativ war, wurde Güssing zum Versuchsort für alle möglichen Ideen. Unter anderen die, alternative Treibstoffe herzustellen. Vor 15 Jahren öffnete man eine der ersten Biodieselanlagen Österreichs, die aus Raps Öl bzw. Treibstoff machten.

Das hat für einige Zeit hervorragend funktioniert, die Biodieseltankstelle in Güssing war gut besucht. Dann entdeckte die Politik das Thema und schrieb vor, dass auch Großraffinerien ihren Treibstoffen zehn Prozent Biodiesel beimischen müssen. Die großen Raffinerien kauften also Raps, der Preis stieg sprunghaft an – und damit wurde die Biodieselherstellung für kleine Anlagen unrentabel.

In Güssing rüstete man auf Altspeiseöl um, um es zu Diesel zu verarbeiten. Doch die Idee hatten auch andere, der Preis für Altspeiseöl stieg wegen der starken Nachfrage – und die Biodieselanlage musste zusperren. Mittlerweile stellen die großen Unternehmen Biodiesel aus Palmöl her, das – nicht wirklich sehr bio – aus Malaysia und Indonesien importiert wird.

Der nächste Versuch: Aus Mais wird Biogas, und damit wird Strom und Wärme erzeugt. Wunderbar, denn Mais gibt es in Österreich genügend. Bis auch andere auf Biogas setzten und sich die Preise verdreifacht haben. „Vor zwei Jahren sind wir Pleite gegangen“, berichtet Koch.

Und jetzt also die Biomasse. Als Güssing im Jahr 2000 anfing, Holz zu verbrennen und daraus Strom und Wärme herzustellen, war die Welt baff. Ein erneuerbarer Energieträger, in Massen vorhanden – was sollte nicht funktionieren? 2004 setzte der große Hype ein, die Politik förderte die neue Art der Energieerzeugung mit höheren Stromtarifen, die Banken waren begeistert und gewährten großzügig Kredite bei nur zehn Prozent Eigenkapital, Biomassekraftwerke schossen wie Pilze aus dem Boden. In Wien-Simmering eröffnete man im Oktober 2006 das größte Kraftwerk Europas mit 37 Megawatt Fernwärme und 24,5 Megawatt elektrischer Energie.

Mittlerweile ahnt man, was passiert ist. Die Nachfrage nach Holz stieg massiv, doch viele Kraftwerke waren „reine Holzvernichtungsanlagen“, wie Koch sagt, weil man beim Bau zu wenig auf die Effizienz geachtet hatte. Das führt beispielsweise beim Biomassekraftwerk in Simmering dazu, dass man im Sommer den Donaukanal heizt, weil man für die erzeugte Wärme keine Abnehmer findet. Damit erreicht man in der Anlage einen Wirkungsgrad von gerade einmal 20 bis 30 Prozent.

„Die Holzpreise waren über Jahrzehnte stabil“, sagt Koch. „Mit dem Boom stieg er von 70 Euro pro Tonne auf 120 Euro.“ Für Güssing bedeutete das pro Jahr Mehrkosten von mehr als 600.000 Euro. Als heuer die Forschungsförderungsgesellschaft in einer Studie für das Finanzministerium zudem feststellte, dass Güssings Biomassekraftwerk keine Forschungs-, sondern eine kommerzielle Anlage ist, wurde die staatliche Prämie in Höhe von 350.000 Euro pro Jahr gestrichen. Der Todesstoß.


Biogas aus Gras. Was ist von der Energiemusterstadt geblieben? Koch, der in einem nüchternen Büro am Stadtrand von Güssing sitzt, ein Foto von Arnold Schwarzenegger hinten an der Wand, bleibt enthusiastisch. Man habe viele neue Ideen. Biogas etwa werde man künftig aus biologischen Abfällen, etwa Gras, herstellen. Das Methangas wird zu Erdgas umgewandelt, damit könne man eine Erdgastankstelle betreiben (sie soll im Frühjahr 2014 in Betrieb gehen) und ein Gasnetzwerk aufbauen.

Zusätzlich soll in das Netzwerk Gas aus einem überarbeiteten Biomassekaftwerk eingespeist werden. Das soll künftig nämlich nicht nur Strom und Wärme erzeugen, sondern auch Erdgas. 18 Gemeinden des Bezirks sollen in drei, vier Jahren mit Bio-SNG (Synthetic Natural Gas) versorgt werden, spezielle Thermen können mit diesem Biogas heizen.

Im heurigen Wahlkampf war das Biomassekraftwerk übrigens kein sehr begehrter Fotohintergrund mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2013)

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